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Mit Interview

Arbeitsschutz für Auszubildende

ca. 5 Minuten Lesezeit

Das Wichtigste im Überblick

  • Auszubildende müssen von Anfang an und kontinuierlich an Arbeits- und Gesundheitsschutz herangeführt werden. 
  • Die Kommunikation zwischen Ausbilderinnen, Ausbildern und Azubis sollte auf Augenhöhe stattfinden.
  • Vorgesetzte und erfahrene Kolleginnen und Kollegen haben in puncto Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz eine wichtige Vorbildfunktion.
  • In Eigeninitative Arbeits- und Gesundheitsschutzthemen erarbeiten, wirkt besonders nachhaltig.
  • Wer sich um die Sicherheit und Gesundheit der Auszubildenden kümmert, bindet sie besser an das Unternehmen und wirkt somit dem Fachkräftemangel entgegen – eine große Chance gerade für kleinere Unternehmen.
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Eine Nachwuchskraft muss kompetent und vor allem auch gesund sein. Unternehmer Dr. John Bötticher, Werksleiter Ergin Sakarya, Jugend- und Auszubildendenvertreterin Anna-Lena Pallmer und der ehemalige Auszubildende Kaim Mavric diskutieren darüber, wie man junge Leute für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz motiviert und wie man mit ihnen kommuniziert. Außerdem betrachten sie die Rolle der Führungskräfte und die Chancen, die sich für kleinere Unternehmen ergeben.

Dr. John Bötticher: Ich komme aus einem sehr alten Traditionsunternehmen, das eine über 350-jährige Firmengeschichte hat. Daher starte ich mal mit einer alten Weisheit: Nur ein gesunder Körper hat einen gesunden Geist. Klingt abgedroschen, bringt aber unser Anliegen auf den Punkt: Auszubildende, die gesund sind, fühlen sich wohl und schaffen ihre Aufgaben im Betrieb und in der Berufsschule. Wir müssen die jungen Menschen dabei unterstützen, gesund zu bleiben, und sie dafür sensibilisieren, wie wichtig ihre Gesundheit ist.

Das Porträt zeigt Dr. John Bötticher von der August Fuhrmann AG, Teilnehmer der Gesprächsrunde zum Arbeitsschutz für Azubis.

Wir müssen junge Menschen für Gesundheit sensibilisieren.

Dr. John BötticherVorstand August Fuhrmann AG, Präsidiumsmitglied Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA, Ausschussvorsitzender Berufsbildung), seit 1995 in der BGHW-Selbstverwaltung

Kaim Mavric: Sensibilisieren trifft’s! Als ich 2018 mit meiner Ausbildung angefangen habe, hatte ich Gesundheit nicht auf dem Schirm. Aber im Laufe der drei Jahre ist mir immer klarer geworden: Ich muss auf meinen Körper achten. Pünktlich um 6 Uhr in der Firma sein, das funktioniert nicht, wenn ich erst um Mitternacht ins Bett gehe. Dann bin ich den Rest des Tages platt. Irgendwann habe ich mir gesagt: Okay, ich muss was umstellen, sonst packe ich die drei Jahre Ausbildung nicht. Abgesehen davon will ich meinen Beruf ja mein Leben lang ausüben.

Anna-Lena Pallmer: Bei mir war es ähnlich. Im ersten Ausbildungsjahr sagt dir jeder, worauf du bei der Arbeit an den Maschinen achten musst. Am Anfang habe ich gedacht: Ja, ja, immer dieselbe Leier, jetzt ist mal gut. Als Jugend- und Auszubildendenvertreterin habe ich jetzt regelmäßig Kontakt mit unseren Auszubildenden und erkenne mich ständig wieder. Wenn ich die ermahne, den Gehörschutz zu tragen, sagen die, ich gehe abends in die Disko, da ist es noch lauter, jetzt geh mir nicht auf den Geist. Aber da müssen wir kontinuierlich dranbleiben, das ist superwichtig. Sonst leiden sie nachher an Lärmschwerhörigkeit, und die Auswirkungen davon werden ziemlich unterschätzt.

Ergin Sakarya: Deshalb führen wir unsere Auszubildenden ab dem ersten Tag mit entsprechenden Ausbildungs- und Schulungsprogrammen an Arbeits- und Gesundheitsschutz heran. Die Führungskräfte spielen dabei eine zentrale Rolle. Im Rahmen ihrer Ausbildung durchlaufen die Auszubildenden verschiedene Abteilungen. Uns ist wichtig, dass die Führungskräfte in allen Abteilungen das richtige Verständnis für die Auszubildenden haben. Außerdem suchen sich Auszubildende Vorbilder, und Führungskräfte sind Vorbilder.

Anna-Lena Pallmer: Korrekt! Auch erfahrene Kolleginnen und Kollegen müssen ihr Handeln überprüfen. Aussagen wie „Das haben wir immer so gemacht, da braucht man keine Schutzbrille“ gehen gar nicht. Dann muss dringend nachgeschult werden. Wir von der Jugend- und Auszubildendenvertretung wollen nicht als Aufpasser auftreten, sondern den Ausbilderinnen und Ausbildern entgegenkommen, weil wir oft mitbekommen, wo es hakt.

Das Porträt zeigt Anna-Lena Pallmer von Blanco, Teilnehmerin der Gesprächsrunde zum Arbeitsschutz für Azubis.

Auszubildende brauchen Austausch auf Augenhöhe und gute Vorbilder.

Anna-Lena PallmerBlanco, Logistikzentrum Bruchsal, Jugend- und Auszubildendenvertreterin (JAV)

Engagiert in der Jugend- und Auszubildendenvertretung

Anna-Lena Pallmer engagiert sich seit 2018 für Sicherheit und Gesundheit bei ihrem Arbeitgeber Blanco. Während ihrer Ausbildung als Industriemechanikerin ist sie in die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) eingestiegen. 2019 hat sie ihre Ausbildung abgeschlossen. Seit 2020 ist sie Vorsitzende der konzernweiten JAV und vertritt die Interessen von 30 Auszubildenden. 

Die JAV vertritt die Interessen von Jugendlichen und Auszubildenden. Sie kann eingerichtet werden, wenn in einem Unternehmen mindestens fünf Jugendliche, Auszubildende, Praktikanten oder Werkstudenten arbeiten und es einen Betriebsrat gibt. Die JAV hat zum Beispiel ein Auge auf Gleichstellung und Integration von Jugendlichen und Azubis und bringt ihre Anregungen in den Betrieb ein. Sie achtet darauf, dass Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen eingehalten werden, die Jugendliche und Azubis betreffen. Dazu gehört auch der Arbeitsschutz.

 

Symbol mit einem Ausrufezeichen

Ergin Sakarya: Für die Ausbilderinnen und Ausbilder ist es die größte Kunst, ein Vorbild und gleichzeitig nahbar zu sein. Da sitzt einer, der schreibt mir vor, wie ich was zu machen habe – so sollte das nicht rüberkommen. Ein Ausbilder muss gesundes Arbeiten selbst leben und für sich annehmen.

Kaim Mavric: Stimmt, es muss ein Miteinander sein. Unser Unternehmen hat ja im vergangenen Jahr beim Wettbewerb „Die Goldene Hand“ den Azubi-Preis gewonnen. Für meine Kollegen und mich war es eine tolle Motivation, als man uns gefragt hat, ob wir am Wettbewerb teilnehmen möchten. Diese Erfahrung hat uns sehr geprägt, weil wir selbst erlebt haben, was alles möglich ist, um einen Arbeitsplatz sicher zu gestalten.

Das Porträt zeigt Kaim Mavric von TE Connectivity, Teilnehmer der Gesprächsrunde zum Arbeitsschutz für Azubis.

Arbeitsschutz aktiv mitgestalten prägt uns sehr.

Kaim MavricTE Connectivity, Ottobrunn, 2018 Ausbildung als Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik, seit 2021 Verfahrensmechaniker im Bereich Spritzguss Fertigung

Anna-Lena Pallmer: Einbeziehen und sich regelmäßig austauschen sind ganz wichtig. Vor allem der reale Austausch, nicht der digitale. Das ist zu anonym, da tauchen viele ab. Wenn wir Jugend- und Auszubildendenvertreterinnen und -vertreter in unsere Werke gehen, kommen Gespräche ganz anders zustande.

Kaim Mavric: Das finde ich auch. Klar, wir jungen Leute sind in den sozialen Medien unterwegs und Präventionsthemen digital aufzubereiten ist sinnvoll. Aber klassische Seminare, im Kreis sitzen, sich in die Augen schauen, das ist viel intensiver, da bleibt viel mehr hängen.

Anna-Lena Pallmer: Gut wären Gesundheitsseminare nur für Auszubildende. Die gibt es bisher kaum. Die Kritik an den bisherigen Seminaren ist meistens: Da hocke ich doch nur mit alten Leuten zusammen, vor allem abends. Es ist schwierig, die Auszubildenden dafür zu motivieren.

Dr. John Bötticher: Ich erlebe auch ständig, dass der persönliche Kontakt das A und O ist. Die Pandemie zeigt das erschreckend deutlich. Viele junge Menschen fühlen sich momentan allein gelassen. Sie müssen eine Gemeinschaft erleben und als Team etwas entwickeln, sonst bekommen wir keine Nachwuchskräfte, die achtsam handeln und andere dazu anleiten.

Anna-Lena Pallmer: Das darf aber nicht am Geld scheitern, weder bei großen noch kleinen Unternehmen.

Ergin Sakarya: Wir organisieren regelmäßig Sicherheitstage mit anderen Firmen und besuchen uns gegenseitig, um zu vergleichen, wo wir stehen und was wir voneinander lernen können. Für die Auszubildenden ist das ein Riesenevent. Sie helfen, diese Tage zu organisieren, und können sich mit jungen Leuten aus diesen Unternehmen austauschen.

Das Bild zeigt ein Porträt von Ergin Sakarya von TE Connectivity, Teilnehmer der Gesprächsrunde zum Arbeitsschutz für Azubis.

Alle Führungskräfte sollten das gleiche Verständnis für Auszubildende haben.

Ergin SakaryaWerkleiter und Geschäftsführer bei TE Connectivity am Standort Ottobrunn, 2014 angefangen als HSE-Manager

Dr. John Bötticher: Besonders für kleine Unternehmen eröffnen sich momentan große Chancen. Denn für viele junge Leute ist das persönliche Wohlbefinden in den vergangenen Jahren sehr wichtig geworden. Die eigene Familie, Freunde – das alles zählt wieder mehr, erst recht in Zeiten von Corona. Kleine Betriebe können punkten, wenn sie erkennen, welchen Wert die persönliche Nähe in einem familiären Betrieb hat. Wer sich darum kümmert, dass Azubis gesund bleiben und sich wohlfühlen, bindet seine Fachkräfte langfristig ans Unternehmen. 

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