| Gesundheit
Mit Interview

Leben mit dem Schmerz

ca. 3 Minuten Lesezeit


Roger Raquet war früher Berufskraftfahrer. Erschüttern kann ihn eigentlich so schnell nichts. Wären da nicht die Schmerzen, die ihn nach einem Arbeitsunfall ​quälen. Schmerzen, die so schlimm sein können, dass er manchmal fast durchdreht. In diesen Situationen ruft er Christina Ackermann an. Die leitende Psychologin am Psychotraumatologischen Zentrum für Diagnostik und Therapie (PZDT) in Frankfurt ist manchmal die einzige, die ihm dann helfen kann.

Schmerzpatient Raquet erzählt
Roger Raquet bespricht in der Schmerzsprechstunde seine Behandlung.

Das PZDT wurde 2006 an der BG Unfallklinik (BGU) in Frankfurt gegründet. Seitdem betreut Christina Ackermann als Psychologin den heute 69-jährigen Raquet. Er ist einer ihrer ersten Patienten und kam nach zehn Jahren Schmerzbiografie verzweifelt zu ihr. Raquet war 1993 bei der Arbeit gestürzt und hatte sich den Ellenbogen ausgekugelt. Sechs Wochen lang musste er den Arm in Gips tragen. Es folgten Operationen mit etlichen Komplikationen.

Familie leidet mit

Das bedeutete für Raquet unglaubliche Schmerzen: „Das beginnt mit einem brennenden Gefühl im Arm, das immer stärker wird, bis man es fast nicht mehr aushält.“ Das sind Momente, sagt er, in denen man nicht mehr leben möchte. Die Jahre nach dem Unfall waren eine schlimme Zeit. Denn die Schmerzen machten ihn wütend und aggressiv. Darunter hatte insbesondere seine Familie zu leiden. Dann gab ihm ein Arzt den Tipp, sich an das PZDT zu wenden: „Seitdem hat sich für mich vieles zum Positiven verändert“, erzählt er.

Teufelskreis durchbrechen

Raquet machte eine stationäre Schmerzthe-​rapie und war in dieser Zeit auch im PZDT zur Behandlung. Gemeinsam mit der Reha-Beratung der BGHW und dem Schmerzteam der BG Unfallklinik erarbeitete er Strategien,​wie er den Schmerz bändigen kann. „Bei chronischen Schmerzsymptomatiken wie bei Herrn Raquet braucht es viel Zeit und Geduld, um die richtige Therapie zu finden“, erklärt Ackermann. Denn es seien immer verschiedene Faktoren, die die Intensität des Schmerzes bestimmten. Es sei nicht immer nur die eigentliche Unfallverletzung, die Probleme verursache. Sondern über die Jahre komme auch die Psyche hinzu und die Angst vor dem Schmerz. „Wenn der Schmerz sich ankündigt, werden viele panisch. Sie denken, egal was ich tue, das lässt sich nicht stoppen.“ Dieser Stress könne dann die Symptome sogar noch verstärken. „Das ist ein Teufelskreis, den man aber gut durchbrechen kann“, sagt sie. Zum Beispiel mit Entspannungstechniken oder Gesprächen.

Das kann Roger Raquet bestätigen: „Wenn ich starke Schmerzen habe, lege ich mich ins Bett und höre mir Meditationsmusik an. Ich kann entspannen und zur Ruhe kommen.“ Daneben waren die therapeutischen Gespräche mit Psychologin Ackermann für ihn eine entscheidende Therapiemaßnahme: „Da stimmte von Anfang an die Chemie“, sagt er rückblickend. Über die Jahre ist sie zu einer wichtigen Vertrauensperson für ihn geworden. Aber natürlich tragen auch Medikamente dazu bei, den Schmerz im Arm zu lindern. Auf einer Skala von 1 bis 10 habe sich sein Schmerz jetzt bei einer Drei eingependelt. „Damit kann ich gut leben“, sagt Raquet.

Gespräche helfen

Roger Raquet ist seit sechs Jahren in Rente. Weil die Schmerzen Folgen eines Arbeitsunfalls sind, wird er bis heute von der BGHW unterstützt und kann das Betreuungsangebot des PZDT in Anspruch nehmen. Bei Bedarf kommt er nach Frankfurt in die Sprechstunde von Christina Ackermann, um sich zu ​stabilisieren und Kraft zu tanken. Denn es gibt immer noch Situationen, wo der Schmerz wieder aufflammt: Bei Hitze oder Kälte, aber auch bei Stress und Ärger – dann schießt der Zeiger auf der Schmerzskala auf 8 oder 9 hoch. Normalerweise bekommt Raquet das mit seinen erlernten Entspannungstechniken in den Griff. Aber wenn es gar nicht mehr geht, kann er die Psychologin anrufen.

Für jeden Schmerzpatienten sei es wichtig, ein Portfolio an Strategien zu haben, wie sie mit dem Schmerz umgehen können. „Das ist wie ein kleines Köfferchen, das man sich für den Notfall gepackt hat“, verdeutlicht Ackermann. Dem einen helfe Spazierengehen, dem anderen das Gespräch mit einer Vertrauensperson. 

Im Gespräch

Porträt Christina Ackermann

Christina Ackermann ist leitende Psychologin am Psychotraumatischen Zentrum für Diagnostik und Therapie in Frankfurt. Sie ist auf die Schmerz-Psychotherapie spezialisiert. Im Interview mit "Hundert Prozent" erläutert sie, wie man Traumatisierungen erkennt und wie man sie behandeln kann.

Zum Interview 

Schmerz und Psyche

PZDT steht für Psychotraumatologisches Zentrum für Diagnostik und Therapie. Es wurde 2006 an der BG Unfallklinik Frankfurt gegründet.

Das Team des PZDT kümmert sich um Patientinnen und Patienten, die nach einem Arbeitsunfall oder einem anderen traumatischen Erlebnis psychische Probleme entwickeln. ​Das können zum Beispiel posttraumatische Belastungsstörungen, Anpassungsstörungen sowie spezifische Phobien und affektive Störungen sein. Im PZDT werden jährlich rund 1.200 Patienten gesehen. Diese werden von den Kostenträgern der BG Unfallklinik Frankfurt, aber auch von niedergelassenen Ärzten oder Kliniken überwiesen.

Symbol für einen informativen Hinweis

Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt anmelden
Zurück nach oben springen

Ihr Kontakt zu uns

Wir freuen uns auf Ihre Anfrage!

Redaktion "Hundert Prozent"

E-Mail:
hundertprozent(at)bghw.de

Oder richten Sie Ihre Anfrage per Kontaktformular an uns:
Kontaktformular