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Psychologische Erstbetreuung nach traumatischen Erlebni

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Nach Raubüberfällen oder schweren Arbeitsunfällen, aber auch nach aggressiven Ausbrüchen verbaler Gewalt, stehen Beteiligte oft unter Schock. Damit Betroffene das Erlebte gut verarbeiten können, sollten sie unmittelbar nach dem traumatisierenden Erlebnis nicht allein gelassen werden. In großen Unternehmen übernehmen psychologische Erstbetreuer diese Aufgabe, das sind speziell geschulte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die BGHW unterstützt gezielt deren Ausbildung mit einem Förderprogramm.

Der psychologische Erstbetreuer oder die Erstbetreuerin ist unmittelbar nach dem Schockerlebnis für die Betroffenen da. „Die Menschen benötigen in dieser Situation keine Psychologen oder andere Experten“, sagt Dr. Christian Lüdke, Geschäftsführer des Gesundheitsmanagement-Dienstleisters Terapon Consulting in Essen. „Sie brauchen eine vertraute Person, die ihnen Wertschätzung, Hoffnung und Zuversicht vermittelt“, unterstreicht der erfahrene Traumaspezialist und Psychotherapeut. Dadurch könne die akute Stressreaktion, die jeder Mensch im Schockzustand zeigt, deutlich gemildert werden. Negative Gedanken setzen sich nicht fest, Körper und Geist kommen schneller zur Ruhe. „Deshalb sollte ein therapeutisches Gespräch erst nach Abklingen der Schockphase, frühestens nach 24 Stunden, stattfinden“, betont Lüdke, „wenn der Beteiligte das möchte.“

Stabile Persönlichkeiten gefragt

Die psychologischen Erstbetreuer sind quasi das Pendant zu medizinischen Ersthelfern im Unternehmen. „Es sollten stabile Persönlichkeiten sein, die von Beschäftigten und Führungskräften akzeptiert werden“, erläutert Lüdke. Einfühlungsvermögen, Vertrauenswürdigkeit und eine gewisse Belastbarkeit seien weitere Voraussetzungen, die ein interner psychologischer Erstbetreuer erfüllen sollte. Die Aufgaben der psychologischen Erstbetreuer sind klar umrissen: Sie betreuen ausschließlich die Betroffenen, ohne gleichzeitig andere Aufgaben erfüllen zu müssen. Während der „Kümmerer“ die Organisation der Rettungskette übernimmt und den Notfallplan abarbeitet, betreuen die psychologischen Erstbetreuer die betroffenen oder beteiligten Personen. Sie leisten beispielsweise emotionalen Beistand, begleiten Kollegen zum Arzt oder nach Hause oder informieren Angehörige. Und sie schirmen auch gegen neugierige Beobachter ab, wie Passanten oder Journalisten.

Jeder Mensch reagiert anders

„Die Bedeutung der psychologischen Erstbetreuung wird von Unternehmen oft unterschätzt“, weiß Lüdke. Auch weil das Fachwissen über die psychischen Auswirkungen traumatischer Erlebnisse fehle. Denn jeder Mensch erlebt das anders. Während die einen hysterisch werden, schreien und weinen, wirken andere äußerlich ganz ruhig. Doch das täuscht oft. Beschwerden treten auch zeitlich verzögert auf. Seelische Leiden können chronisch werden, posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen und körperliche Erkrankungen sind im schlimmsten Fall die Folgen. Auch hier kommt den psychologischen Erstbetreuern eine wichtige Aufgabe zu: Sie haben die Kollegen im Auge. Sie achten auch in den Wochen danach auf Verhaltensänderungen und bieten Hilfe an.

Verbale Gewalt und Mobbing

Psychologische Erstbetreuer und Erstbetreuerinnen können nicht nur nach einem Arbeitsunfall oder Raubüberfall helfen. Therapeut Lüdke weiß aus seiner Praxis, dass sie auch in anderen Bereichen sehr wichtig sein können: „Sexuelle Belästigung, Mobbing oder Überforderung können für Beschäftigte ebenfalls extrem belastend sein. Werden diese Probleme nicht gelöst, kann das auf lange Sicht zu einer psychischen Erkrankung führen.“ Auch der Erleben von verbaler Gewalt, etwa im Umgang mit aggressiven Kunden, kann traumatisierend sein. Hier können geschulte Mitarbeiter gute Ansprechpartner für Betroffene sein und sie dabei unterstützen, das Erlebte zu bewältigen und Lösungen zu finden.

Die psychologischen Erstbetreuer und Erstbetreuerinnen können zudem ein wichtiges Bindeglied zur Berufsgenossenschaft sein. Denn sie wissen aus ihrer Weiterbildung,dass Raubüberfälle und andere traumatisierende Ereignisse als Arbeitsunfälle gelten, die der Berufsgenossenschaft gemeldet werden müssen. Und sie wissen auch, welche Angebote das Reha-Management der BGHW für solche Fälle bereithält: Zum Beispiel das therapeutische Gesprächsangebot 24 Stunden nach dem Ereignis beziehungsweise nach Abklingen der Schockphase. 

 

 

BGHW-Förderprogramm zur Ausbildung betrieblicher psychologischer Erstbetreuender

Die BGHW bietet ein „Förderprogramm zur Ausbildung betrieblicher psychologischer Erstbetreuer“ an. Bezuschusst werden zweitägige Weiterbildungen, die im Unternehmen vor Ort stattfinden. Dozenten sind Experten aus dem Bereich Notfall- und Traumapsychologie.

Bei der Entscheidung, ob die Ausbildung im Betrieb in Frage kommt, helfen diese Kriterien:

  • Mindestens acht Beschäftigte kommen als Erstbetreuerinnen und Erstbetreuer infrage.
  • Eine Betreuung während der gesamten Betriebszeit ist sichergestellt.

Außerdem sollte sichergestellt werden, dass die psychologischen Erstbetreuer und Erstbetreuerinnen

  • während der Betriebszeit jederzeit erreichbar sind,
  • zeitnah am Unfallort sein können,
  • vom eigenen Arbeitsplatz abkömmlich sind.

In den Informationen zum Förderprogramm finden Sie eine Anleitung „In drei Schritten zur Förderung“.

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