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Psychosoziale Notfallversorgung

ca. 3 Minuten Lesezeit

Das Wichtigste im Überblick

  • Unternehmen müssen sich um die Akutversorgung nach einem Notfall kümmern.
  • Psychische Gesundheitsgefährdungen bei Notfällen im Unternehmen oder auf dem Weg zur Arbeit sind wie ein Arbeitsunfall zu behandeln.
  • Bis zu 30 Prozent der Beschäftigten fallen nach einem Notfall aufgrund psychischer Folgeprobleme längerfristig aus.
  • Prof. Dr. Sabine Rehmer von der SRH Hochschule für Gesundheit in Gera leitet – unterstützt durch die DGUV – eine Studie zur psychosozialen Notfallversorgung, an der mehr als 2.000 Unternehmen teilgenommen haben.
  • Unternehmen, die ihre Verantwortung für die psychosoziale Notfallversorgung annehmen, investieren in die langfristige Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer Beschäftigten.
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Nach einem Notfall brauchen Menschen oft Unterstützung, damit sich aus dem traumatischen Erlebnis keine langfristige Arbeitsunfähigkeit entwickelt. Aber nur die wenigsten Unternehmen wissen, dass sie für eine psychosoziale Notfallversorgung ihrer Beschäftigten verantwortlich sind, und was sie tun können. 

Porträt Prof. Dr. Sabine Rehmer von der SRH Hochschule für Gesundheit in Gera
Prof. Dr. Sabine Rehmer leitet – unterstützt durch die DGUV – das Forschungsprojekt „Psychosoziale Notfallversorgung“.

Sabine Rehmer ist Professorin an der SRH Hochschule für Gesundheit in Gera. Die Psychologin leitet den Bereich Arbeitsorganisation und befasst sich mit den psychischen Aspekten im Arbeitsschutz sowie mit der Notfallpsychologie. In ihrer Freizeit hat sie damit als ehrenamtliche Notfallseelsorgerin sehr konkret zu tun. Passiert ein Unfall – auf der Straße, im privaten Umfeld oder in einem Unternehmen –, und die Leitstelle der Polizei oder Feuerwehr sieht, dass die Betroffenen psychologische Betreuung benötigen, werden Ehrenamtliche wie sie gerufen.   

Akutversorgung ist Unternehmeraufgabe 

Vor einiger Zeit hatte sie einen Einsatz nach einem Arbeitsunfall in einem Baumarkt. Dass die Notfallseelsorge dort unterstütze, sei aber gar nicht deren Aufgabe, sondern die des Unternehmens, sagt Sabine Rehmer. Wenn sie bei ihren Einsätzen die Unternehmen darüber aufkläre, seien diese oft erstaunt und sich ihrer Pflicht nicht bewusst. „Die meisten haben kein Konzept für eine Akutversorgung ihrer Beschäftigten.“  

Reaktionen nach Notfall unterschiedlich 

Dabei wäre das so wichtig. Laut Rehmer müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber wissen, dass psychische Gesundheitsgefährdungen bei Notfällen wie ein Arbeitsunfall zu behandeln sind. Und so wie eine körperliche Verletzung unterschiedlich verheilen kann, reagiert auch die Seele unterschiedlich: „Manche Betroffenen sind nach einem Notfall ganz laut, manche ganz leise“, so die Psychologin. Die Reaktion in der Akutphase lasse außerdem keine Voraussage zu, wer einen besseren oder schlechteren Verlauf habe. Deshalb sei es entscheidend, die Hilfsangebote für jede Phase zu kennen und zu organisieren.

Unternehmen investieren in die langfristige Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer Beschäftigten, wenn sie sich um die psychosoziale Notfallversorgung kümmern.

Prof. Dr. Sabine Rehmer

Langfristige Arbeitsunfähigkeit will niemand 

Denn 10 bis 30 Prozent der Betroffenen falle nach einem Notfall aufgrund psychischer Folgeprobleme längerfristig aus, „was generell und in Zeiten des Fachkräftemangels nicht tragbar ist“, sagt Rehmer. Wer die psychische Gesundheit der Beschäftigten bei Notfällen nicht im Blick habe, verschwende ihr Potenzial. 
Unfallversicherungsträger helfen Einige Unfallversicherungsträger bieten ihren Mitgliedsunternehmen bereits präventive Maßnahmen an: Sie beraten und sie unterstützen finanziell bei der Ausbildung psychologischer Ersthelferinnen und Ersthelfer. Oder – als erste Rehamaßnahme nach einem Notfall – organisieren sie eine psychologische Soforthilfe. 


Studie für einheitliche Notfallstandards 

„Die Versorgungslage nach einem traumatischen Erlebnis ist sehr heterogen“, stellt die Expertin fest. Deshalb hat sie sich dafür eingesetzt, den Status quo zur psychosozialen Notfallversorgung zu erfassen. In einem Forschungsprojekt, unterstützt durch die DGUV, befasst sie sich mit vier Zielgruppen: den Unternehmen, den Unfallversicherungsträgern, den externen Anbietern psychosozialer Versorgung und der ehrenamtlichen Notfallseelsorge. Wer hat welche Rolle, wer erfüllt sie aktuell wie und welchen Bedarf gibt es? Dafür hat ihr Team mehr als 2.000 Unternehmen nach ihren Erfahrungen befragt. Und die Ergebnisse zeigen: Viele betroffene Beschäftigte bleiben unterversorgt und der Bedarf einer besseren Versorgung ist da. „Unternehmen müssen ihre Verantwortung für sichere und gesunde Arbeit auch bezüglich psychischer Gesundheitsgefährdungen bei Notfällen annehmen. Damit investieren sie in die langfristige Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer Beschäftigten“, resümiert Sabine Rehmer.

Checkliste für Führungskräfte: Psychosoziale Notfallversorgung

Im Vorfeld

Können Notfälle bei uns im Unternehmen auftreten?

Gibt es dafür eine Gefährdungsbeurteilung?

Sind Maßnahmen nach dem STOP-Prinzip erforderlich? 

Wie arbeiten wir mit der BGHW zusammen (Beratung, sind Psychotherapeutenverfahren bekannt)?  

Im Notfall

Haben wir ein Konzept? Wer betreut Betroffene (psychologische Erstbetreuerinnen und Erstbetreuer im Betrieb)?

Gibt es einen Notfallplan, der allen bekannt ist? 

Werden Notfälle mit möglichen psychischen Gesundheitsgefährdungen dokumentiert und der BGHW gemeldet?

Sind die Beschäftigten geschult, werden sie regelmäßig unterwiesen (Verhalten im Notfall, Unterstützung)?

Sind Führungskräfte geschult? 

Quelle: Prof. Dr. Sabine Rehmer, Arbeits- und Organisationspsychologin an der SRH Hochschule für Gesundheit in Gera

Die bestmögliche Versorgung für die Versicherten

Porträt Frank Stehn Betriebsratsvorsitzender DB Schenker Nürnberg

Frank Stehn, Betriebsratsvorsitzender DB Schenker, Standort Nürnberg und ehrenamtliches Mitglied in der BGHW-Selbstverwaltung berichtet:
 
„Wir hatten vor einigen Jahren in der Wochenendschicht an einem unserer Standorte im Norden einen tödlichen Unfall. Es war gleich klar, dass die Kolleginnen und Kollegen des tödlich Verunfallten psychologische Unterstützung brauchen und zwar so schnell wie möglich. Aber zu der Zeit gab es noch keine etablierte Maßnahme bei der BGHW. Ich habe damals das Gespräch mit dem Leiter der BGHW-Prävention, Dr. Klaus Schäfer, gesucht und wir haben die heute fest verankerte Akutintervention bzw. psychologische Soforthilfe ins Leben gerufen. Diese beinhaltet, das BGHW-Versicherte nach einem psychischen oder physischen Gewaltereignis Soforthilfe in Anspruch nehmen können. Innerhalb von 24 bis maximal 48 Stunden bietet die BGHW psychologische Unterstützung an. Diese Akutintervention ist ein unbürokratisches und schnelles Gesprächsangebot, keine Therapie, und soll die Folgen psychischer Gewalterfahrungen so früh wie möglich abfangen. Betroffene Unternehmen bzw. Versicherte müssen dafür das Gewaltereignis der BGHW melden, damit das Gesprächsangebot erfolgen kann. Ich bin froh, dass die BGHW diese Rehabilitationsmaßnahme so konsequent eingeführt hat und alle Mitgliedsunternehmen sowie Versicherte davon profitieren können.“ 
 

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