Winterreifen sind Pflicht bei Schnee und Eis. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt fürs Aufziehen? Wie müssen Winterreifen beschaffen sein, welche Vorschriften und Empfehlungen gibt es? Ulrich Süßner, Verkehrssicherheitsexperte bei der BGHW, informiert über alles Wissenswerte, um mit dem Auto sicher durch den Winter zu kommen.
Jedes Jahr im Herbst heißt es für Autofahrerinnen und Autofahrer: Hand anlegen und Winterreifen aufziehen oder gleich die Werkstatt aufsuchen. Denn schnell kann das kaltes, frostige Wetter durchschlagen und auf den Straßen zu Reifglätte, überfrierender Nässe und angefrorenem Laub führen. Um sicher unterwegs zu sein, sollten Winterreifen rechtzeitig montiert werden. Doch wann ist dieser Zeitpunkt?
„In Deutschland gilt die situative Winterreifenpflicht und kein bestimmtes Datum, zu welchem Pkw mit Winterreifen ausgerüstet sein müssen“, erklärt Ulrich Süßner, Verkehrssicherheitsexperte bei der BGHW. Konkret bedeutet das: Sobald Schneematsch, Eis- oder Reifglätte, Schneeglätte oder Glatteis auftreten, sind Winterreifen laut Straßenverkehrsordnung (StVO) Pflicht. Eine grobe Richtschnur für das Fahren mit Winterreifen ist der Merksatz von „O bis O“, also von Oktober bis Ostern. Empfohlen werden diese bereits ab einer Temperatur von weniger als sieben Grad Celsius. Denn aufgrund ihrer Gummimischung und ihres speziellen Profils weisen Winterreifen eine bestmögliche Bodenhaftung bei niedrigen Temperaturen auf.
Glatt und gefährlich...
Von Eisglätte spricht man, wenn Feuchtigkeit, die sich bereits auf dem Boden befindet, gefriert. Beim Glatteis fällt Regen auf den gefrorenen Boden und wird zu Eis.
Mit „Schneeflocke“ unterwegs
Alle Winterreifen, die seit dem 1. Januar 2018 hergestellt werden, müssen laut Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) das sogenannte Alpine-Symbol, eine Schneeflocke vor einem Berggipfel, tragen. Zu finden ist das Symbol auf der Reifenflanke. Reifen mit dem alten M+S-Symbol, welches für Matsch und Schnee steht, dürfen jedoch noch bis zum 30. September 2024 gefahren werden. Diese Regelung gilt auch für Ganzjahresreifen, die so genannten „Allwetterreifen“. „Sie sind jedoch immer ein Kompromiss, obwohl deren Qualität gestiegen ist“, sagt Süßner, „und gehen im Ernstfall zu Lasten der Sicherheit.“ Das zeigt sich zum Beispiel in einem längeren Bremsweg, weil der Grip bei niedrigen Temperaturen oder nassen Straßen möglicherweise schlechter ist als bei Winterreifen, aber auch in einem schnelleren Verschleiß. Und: „Auf gar keinen Fall sollte mit Sommerreifen bei winterlichem Wetter gefahren werden, um sich den oft lästig empfundenen Radwechsel zu sparen“, so Süßner. Das könne lebensgefährlich werden.
Verstöße: teuer und riskant
Verstöße gegen die Winterreifenpflicht ziehen ein Bußgeld von 60 Euro, bei Gefährdung anderer von 100 Euro und im Falle eines Unfalls von 120 Euro nach sich. Zudem gibt jeweils einen Punkt in Flensburg. Auch Fahrzeughalter, die es zulassen oder anordnen, dass das Fahrzeug ohne Winterreifen gefahren wird, müssen bei Kontrollen mit 75 Euro Bußgeld rechnen und erhalten ebenfalls einen Punkt in Flensburg. Darüber hinaus drohen bei einem Unfall Einschränkungen im Versicherungsschutz, wenn man mit Sommerreifen unterwegs ist.
Sommer- und Winterreifen im Vergleich
Reifen sind nicht einfach schwarz und rund. Wenn man einmal genau hinschaut, sieht man deutliche Unterschiede im Profil: Während Winterreifen (links) mit feinen Profileinschnitten, Lamellen genannt, versehen sind, die dazu dienen, die bestmögliche Bodenhaftung auf verschneiten und matschigen Untergründen herzustellen, haben Sommerreifen (rechts) ein wesentlich gröberes Profil, um Wasser gut ableiten zu können.
Quelle: Initiative Reifenqualität

Aufs Profil kommt es an
Die Reifen sind die einzige Verbindung vom Fahrzeug zur Straße. Dieser bezeichnende Satz verdeutlicht, wie wichtig die Reifenbeschaffenheit für die Sicherheit im Straßenverkehr ist. Neben dem Alter der Gummimischung und dem richtigen Luftdruck kommt es vor allem auch auf eine ausreichende Profiltiefe ein. So besitzen Winterreifen viele kleine Profileinschnitte, die so genannten Lamellen. Diese können sich mit Eis und Schnee verzahnen und sorgen für Griffigkeit. Ist das Profil jedoch nicht tief genug, weil der Reifen abgefahren ist, schwinden auch die Lamellen. Damit wird der „Grip“ auf der Straße schlechter und der Bremsweg verlängert sich. Außerdem erhöht sich auf nasser Straße die Gefahr von Aquaplaning, das mit dem Aufschwimmen der Reifen und Kontrollverlust am Steuer einhergeht. Gesetzlich vorgeschrieben ist in Deutschland eine Mindestprofitiefe von 1,6 Millimetern, mit der man noch fahren darf. „Aus Sicherheitsgründen wird jedoch im Winter eine Profiltiefe von mindestens vier Millimetern empfohlen“, so Süßner. Zum Vergleich: Neue Winterreifen haben eine Profiltiefe von acht oder neun Millimetern.
Profiltiefe richtig messen
Die Profiltiefe des Reifens kann mit einem Profiltiefenmesser, der im Handel erhältlich ist, einfach gemessen werden. Dies sollte regelmäßig geschehen, zum Beispiel beim Reifenwechsel. Wichtig ist es, die Profiltiefe an unterschiedlichen Stellen zu messen. Denn: Sollte ein Reifen falsch ausgerichtet sein, fährt er sich ungleich ab und in der Folge gibt es unterschiedliche Messwerte. Der niedrigste Messwert ist dann maßgeblich.

Gut zu wissen: Auch das Reifenalter spielt in punkto Sicherheit eine maßgebliche Rolle. Weil die Gummimischung mit der Zeit spröde und/oder härter wird, empfiehlt die Initiative Reifenqualität, Reifen ab einem Alter von sechs Jahren monatlich auf Schäden zu überprüfen. Denn der Reifen wird mit höherem Alter anfälliger, zum Beispiel bei Quetschungen an Bordsteinen oder beim Überfahren scharfer Gegenstände. Reifen, die zehn Jahre alt sind, sollten generell ausgetauscht werden. Der Reifenfachhandel und Kfz-Meisterwerkstätten beraten bei der Beurteilung des Reifenzustands. Ist dieser schlecht, sollten eingelagerte Winterreifen gegen neue getauscht werden.