Das Homeoffice im Ausland

Was müssen Beschäftigte und Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen hinsichtlich des Unfallversicherungsschutzes beachten?

 

Das Arbeiten im Homeoffice hat sich durch die Pandemie schneller gewandelt, als zu erwarten war. Doch nun gehen die Wünsche der Beschäftigten noch weiter: Warum in Deutschland bleiben, warum nicht von Italien, Spanien oder Österreich aus arbeiten? Die nachfolgenden Informationen geben einen ersten Überblick, was bezüglich des Unfallversicherungsschutzes zu beachten ist. Nicht Gegenstand dieser Ausführungen ist die „COVID-19“-bedingte Tätigkeit im Ausland, weil Grenzgänger und Grenzgängerinnen als Mittel der Pandemiebekämpfung („flatten the curve“) im ausländischen Homeoffice verbleiben.

1. Versicherungsrechtliche Aspekte

Die wichtigste Frage ist, ob Beschäftigte von BGHW-Mitgliedbetrieben während ihrer Tätigkeit im ausländischen Homeoffice weiterhin bei der BGHW versichert sind.

Hinweis

Sollte bei Auslandstätigkeit kein Unfallversicherungsschutz nach deutschem Recht bestehen, kann dieser unter Umständen dennoch bei der BGHW über die sog. „Auslandsversicherung“ nach § 140 Abs. 2 SGB VII sichergestellt werden.

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1.1 EU, EWR-Staaten und Schweiz

Für die EU-Mitgliedstaaten bestimmt sich das anwendbare System der Sozialversicherung nach Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009. Durch Abkommen ist der Anwendungsbereich dieser Verordnung nicht nur auf EU-Staaten begrenzt, sondern auf die EWR-Staaten (Island, Liechtenstein und Norwegen) und die Schweiz ausgeweitet.

Als Grundsatz gilt, dass Personen, die in einem Mitgliedstaat beschäftigt sind, dessen Rechtsvorschriften über die Sozialversicherung unterliegen (Beschäftigungslandprinzip).

1.1.1 Sind Beschäftigte bei der BGHW versichert, wenn sie einer Tätigkeit ausschließlich im ausländischen Homeoffice nachgehen?

Bei grenzüberschreitender Arbeit im Homeoffice gilt der Ort (oder die Orte) als Beschäftigungsort im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung, an dem die Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird. Arbeitet eine Person also ausschließlich von zu Hause aus für ein in einem anderen EU-Mitgliedsstaaten/EWR-Staat oder der Schweiz ansässiges Unternehmen, unterfällt sie dem System der sozialen Sicherheit ihres Wohnstaates.

1.1.2 Sind Beschäftigte bei der BGHW versichert, wenn sie einer Tätigkeit dauerhaft und regelmäßig sowohl im ausländischen Homeoffice als auch vor Ort bei den Unternehmen nachgehen?

Arbeitet eine Person dauerhaft und regelmäßig von zu Hause aus für Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat/EWR-Staat oder der Schweiz und ansonsten vor Ort bei ihren Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen (z. B. in deren Büro), gilt sie als Person, die ihre Beschäftigung gewöhnlich in zwei Mitgliedstaaten ausübt.

  • Liegt der Anteil der Arbeit im Homeoffice unter 25 Prozent¹ unterfällt die Tätigkeit insgesamt dem Recht der sozialen Sicherheit des Staates, in dem die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen ihren Sitz haben. Dies muss nicht zwingend der Ort sein, an dem das Büro liegt.
  • Liegt der Anteil der Arbeit im Homeoffice im Wohnstaat über 25 Prozent¹, findet eine Gesamtbewertung der Tätigkeit statt, in der Regel mit dem Ergebnis, dass diese insgesamt dem Recht des Wohnstaates unterfällt.

Anträge für die rechtsverbindliche Festlegung des anzuwendenden Rechts der sozialen Sicherheit im konkreten Einzelfall, mit Ausstellung einer A1-Bescheinigung als Nachweis für die Mehrfachbeschäftigung, sind ausschließlich an den dafür zuständigen Träger des Wohnstaates zu richten.

Einzelheiten zum Verfahren und den Zuständigkeiten sind auf der Webseite des GKV-Spitzenverbandes, Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung - Ausland (DVKA) abrufbar.

1.1.3 Sind Beschäftigte bei der BGHW versichert, wenn sie ihrer Tätigkeit vorübergehend und ausnahmsweise für einen begrenzten Zeitraum im ausländischen Homeoffice nachgehen?

Arbeitet eine Person vorübergehend und ausnahmsweise für einen begrenzten Zeitraum ausschließlich von zu Hause oder einem anderen Ort (z. B. Ferienhaus) aus für ein in einem anderen EU Mitgliedstaat/EWR-Staat oder der Schweiz ansässiges Unternehmen und ansonsten vor Ort bei ihren Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen (z. B. in deren Büro), liegt bei Bestehen der weiteren Voraussetzungen des Art. 12 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 eine sozialversicherungsrechtliche Entsendung der betreffenden Person vor, so dass das Recht der sozialen Sicherheit des eigentlichen Beschäftigungsstaates weiter anwendbar bleibt.

Es kommt grundsätzlich nicht darauf an, auf wessen Initiative die grenzüberschreitende Arbeit im Homeoffice ausgeübt wird. Denn in der Regel liegt sie im Interesse beider Seiten (Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sowie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen).

Einzelheiten zum Verfahren und den Zuständigkeiten sind auf der Webseite des GKV-Spitzenverbandes, Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung - Ausland (DVKA) abrufbar.

 

¹Diese Grenze ist nicht gesetzlich geregelt sondern ergibt sich aus Durchführungshinweisen. Es ist in jedem Fall eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die sich an dem Indikator der 25%-Grenze orientiert. 

 

Ausnahmevereinbarungen

Ein zusätzliches Instrument, um den Wandel in der Arbeitswelt zu berücksichtigen!

Im Interesse einer betroffenen Person können die zuständigen Stellen in den Mitgliedstaaten Ausnahmen von den oben genannten Regelungen vereinbaren. Soll für Beschäftigte z. B. trotz regelmäßigem 40 Prozent Homeoffice im ausländischen Wohnstaat ausnahmsweise das deutsche Recht weitergelten, kann ein entsprechender Antrag beim GKV-Spitzenverband, Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung - Ausland (DVKA) gestellt werden.

Eine solche Ausnahmevereinbarung steht im Ermessen der zuständigen Stellen und kann nur im Einvernehmen mit der zuständigen Stelle des jeweiligen anderen Staates getroffen werden.

Die folgenden Kriterien sind für den Abschluss einer Ausnahmevereinbarung günstig:

  • familiäre Gründe wie ein Krankenhausaufenthalt eines Angehörigen oder die Notwendigkeit der ständigen oder verstärkten Pflege eines Angehörigen oder 
  • die Verfolgung des Ziels, die Ausübung der Tätigkeit durch Menschen mit Behinderungen zu erleichtern.

Nähere Informationen zu Ausnahmevereinbarungen finden sie hier.

 

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2. Umfang des Versicherungsschutzes

Liegen die Voraussetzungen für die Fortgeltung des deutschen Unfallversicherungsrechts vor, während die Beschäftigten im ausländischen Homeoffice arbeiten, unterstehen sie in gleichem Umfang dem Schutz der BGHW wie in der Betriebsstätte tätige Beschäftigte.

2.1 Sind Beschäftigte bei einem Unfall im ausländischen Homeoffice versichert?

Ein Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit ist ein Arbeitsunfall und steht damit unter dem Schutz der BGHW. Maßgeblich ist dabei nicht unbedingt der Ort der Tätigkeit, sondern die Frage, ob die Tätigkeit in einem engen Zusammenhang mit den beruflichen Aufgaben steht – das Bundessozialgericht spricht hier von der Handlungstendenz.

Beim Arbeiten im Homeoffice bzw. den erforderlichen Wegen besteht ebenfalls Versicherungsschutz. Entscheidend ist auch hier die Handlungstendenz der versicherten Person, so dass es hier insbesondere auf die objektiven Umstände des Einzelfalles ankommt. Der Umstand, dass der Ort der Tätigkeit im Ausland liegt, ist grundsätzlich nicht von Bedeutung.

2.2 Sind Beschäftigte bei einem Unfall auf dem Weg zur Betriebsstätte bzw. zurück versichert, auch wenn der Ausgangsort bzw. der Zielort im Ausland liegt?

Der Versicherungsschutz bei einem Unfall auf dem Weg zur Betriebsstätte oder zurück ist grundsätzlich auch bei grenzüberschreitenden Wegen gegeben, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 SGB VII vorliegen.

3. Leistungen im Ausland

Die im Inland auf Grund gesetzlicher Vorschriften, von Verträgen und Absprachen bewährten Verfahren zur Betreuung von verletzten und erkrankten Personen können bei Aufenthalt der Betroffenen außerhalb von Deutschland nicht gleichermaßen angeboten und durchgeführt werden.

3.1 EU, EWR-Staaten und Schweiz

3.1.1 Von wem erhalten Beschäftigte bei einem Versicherungsfall im Ausland Sachleistungen?

Beim Aufenthalt in den o. g. Staaten können Personen, die während des Aufenthaltes in diesem Staat weiterhin dem Schutz der BGHW unterstehen, Sachleistungen (wie ambulante und stationäre Behandlung, Heil- und Hilfsmittel, Medikamente) von den zuständigen Trägern des jeweiligen Aufenthaltsstaats erhalten. Leistungsumfang und Leistungszeitraum richten sich nach den Rechtsvorschriften des Aufenthaltsstaats.

Sofern das Recht des aushelfenden Staats eine Selbstbeteiligung vorsieht, trifft dies auch die bei der BGHW versicherten Personen. Sieht das deutsche Recht für vergleichbare Fälle keine Selbstbeteiligung vor, werden wir die Kosten im Regelfall erstatten.

Hinweis

Um einen Versicherungsfall behandeln zu lassen, wird in der Regel die Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC), welche bei gesetzlich versicherten Personen von der Krankenversicherung ausgegeben wird, akzeptiert. Die für die Sachleistungsaushilfe vorgesehene Bescheinigung DA1 der Unfallversicherung wird nur infolge eines bereits eingetretenen Versicherungsfalls von der BGHW ausgestellt. Zur Dokumentation der Weitergeltung der deutschen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit und für den Anspruch auf aushilfsweise Versorgung mit Sachleistungen, haben die betroffenen Personen die bereits oben erwähnte A1-Bescheinigung mitzuführen.

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3.1.2 Von wem erhalten Beschäftigte bei einem Versicherungsfall im Ausland Geldleistungen?

Geldleistungen werden grundsätzlich vom zuständigen Träger des Beschäftigungslandes nach den dort geltenden Rechtsvorschriften gewährt.

3.2 Sonstiges Ausland

Halten sich Personen mit Ansprüchen gegenüber der BGHW im sonstigen Ausland auf, ist zunächst zu prüfen, ob ein Sozialversicherungsabkommen zwischen Deutschland und diesem Land besteht. Ist dies der Fall, können die Versicherten Sachleistungen von den Versicherungsträgern des jeweiligen Aufenthaltsstaates erhalten.

Besteht kein Sozialversicherungsabkommen ist dies nicht der Fall. Bei dieser Konstellation müssen sich Versicherte mit Unterstützung ihrer Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen selbst um die ärztliche Versorgung bemühen. Die selbst beschafften und privat bezahlten Sachleistungen aus Anlass des Arbeitsunfalls sollten die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen gegebenenfalls im Rahmen der allgemein bestehenden Fürsorgepflicht vorab begleichen.

Die versicherte Person oder ihre Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen können die Belege über die von ihnen bezahlten Sachleistungen bei der BGHW zur Kostenerstattung vorlegen. Die Kostenerstattung erfolgt in einem angemessenen Umfang.

Das Arbeiten im ausländischen Homeoffice ist aus rechtlicher Sicht herausfordernd!

Wir empfehlen deshalb bei jeder Tätigkeit im ausländischen Homeoffice alle rechtlichen Risiken im Einzelfall abzuklären. Dazu gehört beispielsweise nicht nur die Klärung des Unfallversicherungsschutzes. Insbesondere folgende Themen sollten ebenfalls beleuchtet werden:

  • Arbeitsschutzrecht
  • Steuerrecht
  • Aufenthaltsrecht und Meldepflichten
  • Arbeitsrecht
  • Datenschutzrecht

Praxistipp: Die wesentlichen Bedingungen der Arbeit im Ausland sollten aus Gründen der Rechtssicherheit in einer ausdrücklichen Vereinbarung festgehalten werden (vgl. hierzu § 2 Abs. 2 NachwG).

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