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Führen aus innerer Stärke

ca. 5 Minuten Lesezeit

Das Wichtigste im Überblick

  • Achtsamkeit ist eine wichtige Führungskompetenz in einer Arbeitswelt voller Veränderungen
  • Achtsamkeit beugt nachweislich Erschöpfungszuständen und Burnout vor
  • die neue Generation an Leistungsträgern legt mehr Wert auf Eigenverantwortung, Wertschätzung, Fairness und regelmäßiges Feedback
  • Achtsamkeit schult den nachhaltigen Umgang mit mentalen Ressourcen
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Gelassen bleiben bei Konflikten und Krisen, wertschätzend kommunizieren, das volle Potential aus motivierten Mitarbeitenden herausholen, die eigenen Aufgaben konzentriert und kraftvoll angehen: So zu führen ist der Wunsch vieler Führungskräfte. Diesen Eigenschaften liegt eine Kernkompetenz zu Grunde, die für Führungskräfte unabdingbar geworden ist: Achtsamkeit.

Atemübungen und Meditation sind Ihnen zu esoterisch? Dann ist Ihnen ein großer Trend unter den erfolgreichsten Unternehmerinnen und Unternehmern weltweit entgangen. So berichten zum Beispiel Sam Altmann, CEO von OpenAI oder etwa Bill Gates, Gründer von Microsoft über ihre regelmäßige Achtsamkeitspraxis. Im Silicon Valley wird bereits seit mehr als einem Jahrzehnt im großen Stil auf Meditation und „mindfulness“ gesetzt und auch hier in Deutschland bekennen sich immer mehr Top-Managerinnen und -Manager, regelmäßig Achtsamkeit zu praktizieren.

Achtsamkeit ist eine über 2500 Jahre alte buddhistische Tradition. Doch unsere Zeit scheint sie mehr denn je zu brauchen: Spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie erleben viele Menschen eine wankende Welt voller Unsicherheit und Komplexität. Massive Entwicklungen in der Arbeitswelt wechseln sich mit Ängsten in Bezug auf die eigene Sicherheit ab. Zugleich verwischen durch die digitale und mobile Arbeit die Grenzen zwischen Job, Familie und Freizeit. Die ständige Informationsflut aus dem Smartphone tut ihr Übriges. Es wundert nicht, dass psychische Belastungen, Angstzustände und Depressionen immer weiter zunehmen.

Dagmar Florea

Achtsamkeit bedeutet zunächst einmal, inne zu halten und sich selbst zu fragen: Wie geht es mir eigentlich? Was passiert hier gerade?

Dagmar FloreaGeschäftsführerin Zen-Leadership GmbH

„Vor diesem Hintergrund ist Achtsamkeit also kein netter Zeitvertreib für abgehobene Multimillionäre oder Gesundheits-Influencer. Sie ist überlebensnotwendig für uns alle“, sagt Dagmar Florea, Geschäftsführerin von Zen Leadership. Als Achtsamkeitscoach und MBSR-Trainerin unterstützt die ehemalige Vertriebs-Führungskraft heute andere Führungskräfte dabei, ihren Weg in die Achtsamkeit zu finden. Sie erlebt viele Klienten im oder am Rande des Burnouts.

„Vielen Führungskräften geht es um mehr Umsatz, um Karriere, um Erfolg. Das ist erst einmal nicht falsch. Doch sie vergessen sich darüber oft selbst, spüren nicht mehr in den eigenen Körper und Geist hinein und merken nicht, wie sie sich überfordern“, sagt Florea. „Irgendwann sinkt dann ihre Stress-Toleranz, schon Routine-Aufgaben führen zu Überforderung und Erschöpfung und wichtige Dinge werden vergessen. Zudem werden sie häufiger krank, weil durch die ständige Überlastung das Immunsystem so in Mitleidenschaft gezogen ist, dass sie anfällig werden für Infekte.“ All dies: Anzeichen für einen beginnenden Burnout.

Dagegen hilft Achtsamkeit. „Achtsamkeit bedeutet zunächst einmal, inne zu halten und sich selbst zu fragen: Wie geht es mir eigentlich? Was passiert hier gerade?“, erklärt Florea. „So kommen wir wieder in Verbindung mit uns selbst und erkennen viel besser, wenn wir zum Beispiel gestresst oder überfordert sind. Das ist der erste Schritt, um sich im Anschluss zu fragen: Und was muss ich jetzt ändern, damit es mir wieder besser geht? Wie will ich meine Führungsrolle ab hier fortführen?“

Achtsamkeit ist weder an Weltanschauung oder Religion noch an Geschlecht oder Hautfarbe gebunden. Sie ist die zutiefst menschliche Fähigkeit, wach und präsent zu sein.

iga.Wegweiser: Achtsamkeit am Arbeitsplatz

Nur wer sich selbst gut führen kann, kann auch andere gut führen

Eine männliche Führungskraft steht vor einer Tafel und unterweist eine Gruppe von Mitarbeitenden
Führung heißt nicht nur Personalführung, sondern auch Selbstführung.

Wenn es um die Implementierung von Achtsamkeit in den Arbeitsalltag geht sind Führungskräfte also gefragt. „Führung heißt nicht nur Personalführung, sondern auch Selbstführung. Nur wer sich selbst gut führen kann, kann auch andere gut führen“, sagt Florea. Wer ständig seinen Aufgaben hinterherhetze, werde schnell ein Opfer der eigenen, nicht achtsamen Gewohnheiten.

Achtsamkeit erhöht darüber hinaus die Führungskompetenz und den Führungserfolg. Sie hilft, vom Reagieren ins Agieren zu kommen, aus innerer Stärke heraus authentisch aufzutreten, wertschätzend zu kommunizieren und besonnen zu handeln. Eine gelebte Achtsamkeitspraxis durch die Führungskraft kann also nicht nur deren eigene Gesundheit verbessern, sondern auch zu einer wertschätzenden Arbeitsatmosphäre bis hin zu einem Wertewandel im Unternehmen führen.

Welche Ansatzpunkte gibt es für die Einführung von Achtsamkeit im Unternehmen?

  • Gefährdungsbeurteilung erkennt psychische Belastung
  • Geringe Mitarbeiterzufriedenheit
  • Hohe Fluktuation
  • Hohe Krankheitskosten
  • Wertebefragung der Mitarbeitenden
  • Bestrebungen in Richtung Nachhaltigkeit
  • Kulturwandel
  • Wunsch, die Attraktivität der Arbeitsgebermarke aufzuladen

Quelle: iga.Wegweiser: Achtsamkeit am Arbeitsplatz

Und dieser Wertewandel ist mehr als nötig, wenn man Leistungsträger aus der jüngeren Generation im Unternehmen halten will. „Die jetzt nachkommenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter legen mehr Wert denn je auf Eigenverantwortung, Wertschätzung, Fairness und regelmäßiges Feedback – allesamt Kompetenzen von achtsamen Führungskräften. Unternehmen, die diese Werte nicht bieten, riskieren ein unzureichendes Engagement und eine hohe Mitarbeiterfluktuation. Und das kann sich kein Unternehmen mehr leisten“, sagt Dagmar Florea.

Eine Ansicht, die auch die Forschung teilt, die mitunter dafür plädiert, Achtsamkeit zum Teil der Nachhaltigkeit im Sinne der Corporate Social Responsibility zu machen. So betont etwa Werner Stork, Professor für Management und Organisation, Personalmanagement und Führung an der Hochschule Darmstadt, dass Achtsamkeit eine Zukunftskompetenz sei, die den nachhaltigen Umgang mit mentalen Ressourcen schule (siehe auch iga.Wegweiser).

Achtsamkeit im Unternehmen implementieren

Frau in Meditationshaltung in einem Raum der Stille
Für die praktischen Übungen im Unternehmen kann ein physischer „Raum der Stille“ helfen, Achtsamkeit für alle zu implementieren.

Möglichkeiten, die Achtsamkeit in den Unternehmens- und Arbeitsalltag zu integrieren gibt es viele. Zu Beginn bietet sich ein Seminar, Training oder Coaching an, um die Achtsamkeitsübungen kennen zu lernen und mehr über ihre Wirkungsweisen zu erfahren. Im Alltag können dann verschiedene Apps dabei unterstützen, an Achtsamkeitspausen und Meditationszeiten zu erinnern.

Für die praktischen Übungen im Unternehmen kann ein physischer „Raum der Stille“ helfen, Achtsamkeit für alle zu implementieren und die Hemmschwellen niedrig zu halten. Dort finden sich Meditationskissen, Yoga-Matten und Noise Cancelling Kopfhörer mit Meditationen. Der Raum ist offen für jeden, der ihn für seine Achtsamkeitspause nutzen will. „Es könnte auch einmal die Woche ein Coach kommen und eine Achtsamkeitsübung oder eine spezielle Meditation für die gesamte Belegschaft anbieten. Auch ein individuelles Meditationstraining wäre denkbar“, schlägt Dagmar Florea vor. „Nach der Einrichtung kostet ein Raum der Stille nicht viel, außer etwas gut investierte Zeit von der Führungsetage und Belegschaft. Ein Benefit wird sein, dass sich die Mitarbeitenden gesehen und gewertschätzt fühlen und motivierter und leistungsfähiger sind.“

5 Vorgehensweisen und Vereinbarungen im Team, die Achtsamkeit fördern

  1. Vereinbaren Sie mit Ihrem Team stille Arbeitszeiten für ein bis zwei Stunden am Tagesanfang. Bestimmen Sie gemeinsam eine Person als „Feuerwehr“, die sich um akute Themen kümmert und dem Team den Rücken freihält. Diese Rolle wechselt im Team.
  2. Setzen Sie eine Kommunikationsampel ein. Hierzu werden farbige Pappkarten in grün, gelb oder rot auf den PC gesteckt, die den Teammitgliedern anzeigen, ob man im Moment angesprochen werden möchte oder nicht.
  3. Nutzen Sie schalldämmende Aufsätze für den Schreibtisch, um Inseln für konzentriertes Arbeiten zu schaffen.
  4. Beginnen Sie Meetings mit einer bis zu dreiminütigen Stille-Phase, in der die Teilnehmenden meditieren oder sich Notizen für die anstehende Besprechung machen.
  5. Vereinbaren Sie digitalfreie Meetings: Lassen Sie Smartphones und Laptops an der Tür abgeben. Ausgenommen ist die Person, die präsentiert.

Quelle: iga.Wegweiser: Achtsamkeit am Arbeitsplatz

Sofern Sie den Artikel bis hierhin gelesen haben, nutzen Sie jetzt die Gelegenheit, selbst einmal eine Achtsamkeitspause einzulegen. Schließen Sie für eine Minute die Augen, beobachten Sie, wie Sie dasitzen, wie sie atmen, wie es Ihnen emotional gerade geht – ohne dies zu werten oder verändern zu wollen. Es könnte der Beginn einer transformierenden Achtsamkeitspraxis sein.

Was ist Achtsamkeit?

Die Geschichte der Achtsamkeit reicht zurück zu den buddhistischen Lehren vor 2500 Jahren, als Buddhas direkter Weg zur Läuterung der Wesen, zur Überwindung der Besorgnis und zur Linderung von Leid. 1979 entwickelte Jon Kabat-Zinn am Klinikum der University of Massachusetts das „Mindfulness-Based Stress Reduction“ Programm, kurz MBSR genannt. Dies führte zu einem wachsenden Interesse und einer breiteren Anwendung von Achtsamkeitstechniken in verschiedenen Bereichen wie Medizin, Psychologie und Unternehmenswelt.

Diverse neurowissenschaftliche Studien belegen, dass Achtsamkeit das Leistungspotential des Gehirns erhöht. Eine regelmäßige Achtsamkeitspraxis kann unter anderem die Aufmerksamkeitsregulation, das Körpergewahrsein, die Emotionsregulation und die Selbstwahrnehmung stärken. So kann sie unter anderem zu mehr Wohlbefinden und emotionaler Ausgeglichenheit verhelfen sowie zahlreiche weitere Ressourcen stärken.

Quelle: iga.Report: Wirksamkeit von Achtsamkeitstechniken im Arbeitskontext

Unsere Expertin

Dagmar Florea ist Geschäftsführerin der Zen-Leadership GmbH. In den letzten über 30 Jahren war sie in Führungs- und Vertriebspositionen bei unterschiedlichen IT-Unternehmen tätig, von Mittelstand bis globalen Großkonzernen. Sie ist zertifizierte Achtsamkeit-Trainerin, MBSR-Lehrerin und systemische Coachin. Als Trainerin ist sie seit 2021 im Team der Zen Leadership Academy. Ihr größtes Anliegen ist es, Unternehmerinnen, Unternehmer und Führungskräfte auf eine besondere Weise zu begleiten, sie zu inspirieren und zu befähigen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen und ihr Erleben und Wirken in der Arbeitswelt für ihre Teams und sich selbst positiv zu verändern.

Dagmar Florea

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