| Sicherheit

Mehr wissen, besser schützen

ca. 5 Minuten Lesezeit

Das Wichtigste im Überblick

  • In deutschen Betrieben sind gut 1,29 Millionen Auszubildende beschäftigt. Sie müssen besonders vor Arbeitsunfällen geschützt werden.
  • Mangelnde Berufserfahrung und eine fehlerhafte Einschätzung der Risiken am Arbeitsplatz gehören zu den häufigsten Unfallursachen.
  • Mehr Wissen über den Arbeitsschutz sollte über respektvolle Kommunikation zwischen den Auszubildenden und ihren Ausbilderinnen und Ausbildern vermittelt werden.
  • Zum Download: Studie der TU Dresden „Start ins Berufsleben mit arbeits- und gesundheitsschutzgerechtem Verhalten“
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In deutschen Betrieben sind gut 1,29 Millionen Auszubildende beschäftigt. Die Anzahl der meldepflichtigen Unfälle in dieser Altersgruppe ist hoch. Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger müssen also besonders vor Arbeitsunfällen geschützt werden. Was sind die Gründe für diese Unfälle, und was können Ausbilderinnen und Ausbilder in den Betrieben dagegen tun?

Prellungen, Quetschungen sowie Schnitt-, Stich- und Schürfwunden – das sind laut Unfallstatistik typische Verletzungen, die sich Auszubildende im Betriebsalltag zuziehen. Aber auch Muskel- und Skeletterkrankungen sowie psychische Erkrankungen gehören dazu. Ebenso gefährlich ist für die Auszubildenden der Weg zur Arbeit: Fast ein Drittel der 16- bis 25-Jährigen ist auf dem Weg zur Arbeitsstelle einmal in eine gefährliche Situation geraten. Das zeigt eine aktuelle Umfrage für das Präventionsprogramm „Jugend will sich-er-leben“. Laut der DGUV-Statistik „Arbeitsunfallgeschehen 2020“ ist die Anzahl der meldepflichtigen Unfälle in den Altersklassen (bis unter 30 Jahre), wo die Mehrzahl der Berufsanfänger einzuordnen sind, auffällig hoch. Die Anteile je Altersgruppe gehen im Bereich der 30- bis 44-Jährigen leicht zurück, um dann nochmals bei den 50- bis 54-Jährigen einen zweiten Höhepunkt zu erreichen (siehe dazu untenstehende Statistik).

Verteilung der Arbeitsunfälle

im Betrieb nach Altersgruppen (abhängig Beschäftigte, Unternehmerinnen und Unternehmer)

Quelle: DGUV-Arbeitsunfallgeschehen 2020

 

Altersklasse

Meldepflichtige Unfälle

Neue Unfallrenten

Tödliche Unfälle

 

Anzahl

%

Anzahl

%

Anzahl

%

bis 19 Jahre

29.8674,31491,310,4
20 bis unter 25 Jahre82.44012,05294,717

7,3

25 bis unter 30 Jahre

73.28310,66705,9146,0

30 bis unter 35 Jahre

73.65810,76886,1177,3

35 bis unter 40 Jahre

66.2929,67907,0208,6

40 bis unter 45 Jahre

67.1059,78997,9198,2

45 bis unter 50 Jahre

68.1739,91.27111,22410,3

50 bis unter 55 Jahre

84.35012,21.89416,74117,6

55 bis unter 60 Jahre

82.80012,02.15018,93615,5

60 bis unter 65 Jahre

51.3347,41.60614,12611,2

65 Jahre und älter

9.8171,47046,2187,7

keine Angabe

5390,100,000,0

Gesamt

689.658

100,0

11.350

100,0

233

100,00

Keine Berufserfahrung, hohes Risiko, wenige Vorbilder

Was sind die Ursachen für diese Ergebnisse? Die BGHW hat die Studie „Start ins Berufsleben mit arbeits- und gesundheitsschutzgerechtem Verhalten“ der TU Dresden begleitet. Darin werden mangelnde Berufserfahrung, fehlerhafte Wahrnehmung und Einschätzung arbeitsbedingter Gefahren sowie eine mangelnde Risikobeachtung, aber auch eine unbefriedigende Umsetzung des Arbeitsschutzes in den Betrieben als Ursachen genannt. Der Diplom-Ingenieur Karsten May kennt noch andere Faktoren. Die Aufsichtsperson der BGHW hat vor zwei Jahren die Ursachen von 700 Unfällen untersucht, die in Lagern, Speditionen und Supermärkten im Großraum Köln mit elektrischen Mitgänger-Flurförderzeugen passiert sind. Verletzt wurden dabei meistens Auszubildende im ersten Ausbildungsjahr.

Karsten May, Aufsichtsperson der BGHW

Dafür gibt es Gründe: „Diese Altersgruppe neigt nicht nur zur erhöhten Risikobereitschaft, sondern schämt sich auch davor, wenn Arbeiten allein und unter Zeitdruck durchgeführt werden sollen, den Ausbilder oder Vorgesetzten zu fragen, wie diese Fahrzeuge funktionieren.“ Nach dem Motto „Ich kann das. Das wird schon gut gehen“ werden die Geräte dann auf engstem Raum rangiert. Die Folgen sind Quetschungen oder schwere Fußverletzungen. Der Diplom-Psychologin Stefanie Hobrack-Zscheich ist dieser Übermut nicht unbekannt. Die BGHW-Referentin vermisst oftmals Vorbilder für die Berufsanfänger. „Wenn die erfahrenen Kolleginnen oder Kollegen weder Sicherheitsschuhe tragen noch den Gehörschutz benutzen, werden es die Auszubildenden auch nicht tun. Und wenn es die Azubis doch tun, werden sie belächelt.“

Das persönliche Gespräch mit der Auszubildenden oder dem Auszubildenden ist extrem wichtig. So schafft man nicht nur Vertrauen und Wertschätzung, sondern sorgt auch dafür, dass die jungen Leute sensibilisiert werden für das Thema Sicherheit und Gesundheit – und das langfristig.

Karsten May, Aufsichtsperson der BGHW

Mehr Wissen über Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit

Sind die Auszubildenden heute womöglich gar nicht daran interessiert, mehr zu erfahren, um sich vor Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten zu schützen? Eine aktuelle Forsa-Umfrage der DGUV zeigt genau das Gegenteil: Sie wollen mehr darüber wissen! 72 Prozent der befragten 16- bis 30-Jährigen, die sich in einer Berufsausbildung befinden, sagten, sie wollen klare Regeln zum Arbeitsschutz und zur Erhaltung ihrer Gesundheit. Sie wünschen sich mehr Austausch zu diesen Themen in ihrer Ausbildung und sind an einer modernen Vermittlung von Präventionsthemen interessiert (63 Prozent). Mehr als die Hälfte (57 Prozent) erwartet den Einsatz digitaler Medien wie Videoclips. Für den verantwortlichen Koordinator des Präventionsprogramms „Jugend will sich-er-leben“ Christoph Preuße ist das ein klares Signal: „Berufsschullehrkräfte und Ausbildende müssen sich intensiver mit den Jugendlichen und jungen Beschäftigten über die Themen Arbeitsschutz, Arbeitssicherheit und Erhalt der Gesundheit austauschen und das Gelernte regelmäßig vertiefen.“

Erfahrene Kolleginnen und Kollegen müssen mit gutem Beispiel vorangehen.

Stefanie Hobrack-Zscheich, BGHW-Referentin

Die Ausbildung – sinnstiftend, sicher und gesund

Das Interesse der Auszubildenden an Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz ist also riesengroß. Woher das kommt? Das liegt sicherlich am Werte- und Erziehungswandel in unserer Gesellschaft. Früher dominierte die Einstellung „wer den Kopf auf dem Hals trägt, kann auch arbeiten“. Heute spiele die Arbeit zwar auch eine wichtige Rolle, aber für die Generation Y (Jahrgänge 1980–1994) und die Generation Z (Jahrgänge ab 1995) gelte bei der Ausbildung, dass sie sinnstiftend sei, zur persönlichen Selbstentfaltung beitrage und vor allem in einem sicheren und gesunden Betriebsklima stattfinde, so die Autoren der Studie „Junge Beschäftigte in Ausbildung“, die die Initiative Gesundheit und Arbeit herausgegeben hat.

Digitale Angebote, respektvolle Kommunikation

Stefanie Hobrack-Zscheich, Diplom-Psychologin und BGHW-Referentin

Was bedeutet das für die Unternehmen, ihre Ausbilderinnen und Ausbilder? Wie sollen sie zukünftig die Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger vor Arbeitsunfällen schützen? „Langandauernde Unterweisungen im Stil von Frontalvorträgen oder das Vorlesen von Arbeitsschutzmaßnahmen durch die Ausbilderin oder den Ausbilder sind längst passé. Das ist einfach zu trocken. Da hört keiner mehr zu. Wir müssen einfach digitaler, aber auch interaktiver werden, um die Generation Y und Generation Z abzuholen“, sagt BGHW-Referentin Stefanie Hobrack-Zscheich. Das könnten kurzweilige Online-Seminare oder auch ein Escape-Room sein, wie ihn GE Healthcare, ein Hersteller von Medizintechnik, seinen Auszubildenden am Standort Solingen anbietet. Die Idee wurde kürzlich beim BGHW-Wettbewerb „Die Goldene Hand“ ausgezeichnet. Ein zentraler Faktor ist und bleibt jedoch die direkte Kommunikation zwischen Auszubildenden, ihren Ausbilderinnen und Ausbildern sowie Vorgesetzen. Sie sollte menschlich, kooperativ, respektvoll sein und auf Augenhöhe stattfinden. „Das persönliche Gespräch mit der Auszubildenden oder dem Auszubildenden ist extrem wichtig“, erzählt die BGHW-Aufsichtsperson Karsten May: „So schafft man nicht nur Vertrauen und Wertschätzung, sondern sorgt auch dafür, dass die jungen Leute sensibilisiert werden für das Thema Sicherheit und Gesundheit – und das langfristig.“ [sie]

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