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Aktiver Gehörschutz: intelligent gegen den Lärm

ca. 3 Minuten Lesezeit

Das Wichtigste im Überblick

  • Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit vorbeugen – das funktioniert durch konsequenten Gehörschutz bei der Arbeit.
  • Gehörschutz als persönliche Schutzausrüstung (PSA) soll Schall dämmen, idealerweise aber auch die Wahrnehmung von Signalen und das Hören von Sprache ermöglichen.
  • Aktiver Gehörschutz ist eine Möglichkeit, beides komfortabel zu vereinen. Wie funktioniert ein solcher Gehörschutz, wer profitiert davon?
  • BGHW-Experte Markus Radke erklärt, auf was es bei der Auswahl von Gehörschutz ankommt.

Kreissäge, Winkelschleifer, Drucklufthammer – beim Einsatz von Maschinen mit hohem Schalldruckpegel ist das Gehör akut gefährdet. Deshalb kommt es bei lärmintensiven Arbeiten auf Gehörschutz an, der den Schall zuverlässig dämmt. Denn Lärm kann das Gehör dauerhaft beeinträchtigen und zur Lärmschwerhörigkeit führen. Dabei wirkt ein kurz auftretender sehr lauter Knall womöglich genauso schädigend wie eine erhöhte Lärmbelastung dauerhaft über den Tag hinweg. Laut Vorgabe der Lärm- und Vibrationsarbeitsschutzverordnung muss der Arbeitgeber ab einem Tageslärmexpositionspegel von 80 dB (A) Gehörschutz zur Verfügung stellen, ab 85 dB (A) muss dieser verpflichtend getragen werden.

Signale, Warntöne und Sprache wahrnehmen

Doch beim Thema Gehörschutz geht es nicht nur um die Schalldämmung. Es ist auch wichtig, dass Signale und Warntöne bei der Arbeit sicher gehört werden. Dazu zählen zum Beispiel die Hupe eines Gabelstaplers, ein Feueralarm oder Maschinengeräusche, die über den Betriebszustand des Arbeitsmittels informieren. Nicht zuletzt trägt auch die Sprachkommunikation im Betrieb zum sicheren Arbeiten bei. Sie hilft dabei, Unfälle zu vermeiden – sei es die Abstimmung während der Schicht, Durchsagen und oder Warnrufe von Kollegen oder Vorgesetzten.

Gehörschutz bei Lärmbelastung
Passiver Gehörschutz

Unterschied: passiver und aktiver Gehörschutz

Kommt am Arbeitsplatz Gehörschutz zum Einsatz, handelt es sich häufig um einen so genannten passiven Gehörschutz.  Diesen gibt es in Form von Gehörschutzkapseln – auch für Arbeitshelme –, Gehörschutzstöpseln oder als Bügelgehörschützer. Dazu kommen noch maßangefertigte Ohrpasstücke, die so genannten Otoplastiken. Je nach Bedarf sind niedrig- und hochdämmende Varianten verfügbar. Passiver Gehörschutz besitzt keine elektronischen Komponenten und ist meist kostengünstig in der Anschaffung.

Er eignet sich besonders für längeres Arbeiten in konstant lärmintensiver Umgebung. Jedoch schirmt er Trägerinnen und Träger ein Stück weit von der Außenwelt ab, weil jeglicher Umgebungslärm unterdrückt wird. Daher kann das ständige Auf- und Absetzen, um Sprache besser zu verstehen, als lästig empfunden werden. Es besteht dann auch die Gefahr, dass passiver Gehörschutz nicht konsequent getragen wird. Das ist jedoch wichtig, um einen Gehörschaden zu verhindern.

Ein Monteur arbeitet mit einem Schlagschrauber am Reifen eines Traktors
Anwendung von aktivem Gehörschutz: Reifenmontage mit Schlagschrauber

Aktiver Gehörschutz hingegen ist mit elektronischen Komponenten versehen, batteriebetrieben und teurer in der Anschaffung. Es gibt ihn in verschiedenen Ausführungen, meist in Kapselform. Er wird auch als dynamischer Gehörschutz mit variabler Schalldämpfung bezeichnet. Häufig kommt er beim Schießsport, bei der Jagd oder bei der Polizei zum Einsatz. Aktiver Gehörschutz sorgt dafür, dass Umgebungsgeräusche gut wahrnehmbar bleiben und verringert den Lärm erst dann, wenn er die kritische, gesundheitsgefährdende Grenze überschreitet. Eingebaute Mikrophone nehmen die Sprache auf und geben sie über Lautsprecher im Inneren der Gehörschutzkapsel wieder, was für eine bessere Kommunikation sorgt. Ebenso sind dadurch Alarmsignale, Durchsagen und auch Fahrzeuge im innerbetrieblichen Verkehr besser hörbar. Die Lautstärke lässt sich von den Beschäftigten am Kopfhörer individuell einstellen.

Von Vorteil ist, dass aktiver Gehörschutz durchgängiger getragen werden kann, weil das häufige Auf- und Absetzen zur besseren Verständigung entfällt. Durch das gute Hören von Umgebungsgeräuschen, Signalen und Sprache trägt er zu Verbesserung der Arbeitssicherheit bei. Er bietet sich besonders für Umgebungen mit hoher Lärmbelastung an, in der sich der Geräuschpegel häufig ändert. Weitere Vorteile, je nach Modell: Über Bluetooth besteht die Möglichkeit, das Smartphone mit dem Gehörschutz zum Telefonieren zu verbinden. Auch ein Funkgerät kann zur kabellosen Kommunikation verbaut sein. So bleiben die Hände frei und das Arbeiten sicher.

Pilotprojekt der BGHW

Gehörschutzexperte Markus Radtke begleitete im Jahr 2021 ein Pilotprojekt der BGHW, bei dem unter anderem aktive Gehörschutzkapseln in 41 Mitgliedsunternehmen aus unterschiedlichen Branchen getestet wurden. Die Studienteilnehmerinnen und Teilnehmer hatten bereits einen Gehörschaden in Form der Lärmschwerhörigkeit erlitten. Im Rahmen des Pilotprojektes sollten sie von ihren Erfahrungen mit den von der BGHW zur Verfügung gestellten Kapseln berichten, ebenso deren Führungskräfte. Die BGHW gewann dadurch tiefere Einblicke in die Möglichkeiten der Individualprävention beim Thema Lärm. Leitfragen waren zum Beispiel: Wird das Produkt getragen und wie lange? Wie zufrieden sind Erkrankte damit? Wie sieht die Nutzung im Alltag aus und unter welchen Rahmenbedingungen eignet es sich? Die Testpersonen erhielten zugleich einen so genannten Lärmindikator, der Lärm automatisch misst und Lärmbereiche ausweist.

Gute Verständigung von Vorteil

Was das Ergebnis betrifft, war die Mehrheit der Befragten tendenziell zufrieden mit dem Angebot. Positiv beurteilt wurden insbesondere die Funktionalität und die Bedienbarkeit des aktiven Gehörschutzes, ebenso wie die Verständlichkeit von Kolleginnen und Kollegen in Gesprächen. Im Durchschnitt wurde der Gehörschutz vier Stunden am Tag getragen, wobei die Tragedauer zwischen täglich einer Stunde und acht Stunden schwankte. Verbesserungsbedürftig wurde der Tragekomfort beurteilt, insbesondere mit Brillen oder anderer persönlicher Schutzausrüstung sowie bei hohen Temperaturen. Auch die Bewertung durch die Führungskräfte war eher positiv, zwei Drittel der befragten Führungskräfte planten eine weitere Anschaffung des Gehörschutzes. Eine wichtige Erfahrung war auch, dass diese durch das Angebot mit ihren Mitarbeitenden ins Gespräch zum Thema Lärm und Gehörschutz kamen.

3 Fragen an... Markus Radtke

Markus Radtke ist Lärmexperte bei der BGHW
Markus Radtke, Gehörschutzexperte der BGHW

In welchen Arbeitsumgebungen bietet aktiver Gehörschutz Vorteile?

Im Rahmen unseres Pilotprojektes konnten wir mehrere Einsatzmöglichkeiten identifizieren: zum Beispiel beim Abfüllen von Weinflaschen, beim Metallrecycling, beim Holzzuschnitt im Baumarkt oder in der Kfz-Werkstatt beim Arbeiten mit dem Schlagschrauber. Auch bei Tätigkeiten wie Trennschleifen, Stanzen, Ankörnen oder bei Reinigungsarbeiten mit Druckluft, kam der aktive Gehörschutz gerne zum Einsatz. Er hat eine sehr gute Dämmwirkung und ermöglicht gleichzeitig die Verständigung. Daher bietet er sich gerade für Arbeitsumgebungen mit wechselnden Schallereignissen an. Wer bereits an Lärmschwerhörigkeit vorerkrankt ist, profitiert davon, weil Umgebungssignale und die Sprache verstärkt werden. Das optimale Einsatzgebiet für diese Kapseln muss jedoch immer in der Praxis bei den Unternehmen vor Ort ermittelt werden.

Auf was kommt es bei der Auswahl von Gehörschutz an?

Zunächst sollte der Gehörschutz von der Dämmleistung her für die jeweilige Arbeitssituation geeignet sein. Er muss sich mit Arbeitskleidung und anderer persönlicher Schutzausrüstung „vertragen“, zum Beispiel einem Helm oder einer Schutzbrille. Die Beschäftigten sollten bei der Auswahl immer miteinbezogen werden und Modelle auch über eine längere Zeit ausprobieren können. Denn der Tragekomfort spielt eine große Rolle. Wem beispielsweise das Tragen von Gehörschutzkapseln unangenehm oder zu warm ist, der trägt womöglich lieber Gehörschutzstöpsel. Auch diese gibt es in Form des aktiven Gehörschutzes.

Wie unterstützt die BGHW ihre Mitgliedsbetriebe, um Lärmschwerhörigkeit zu vermeiden?

Die BGHW berät bei der Auswahl des passenden Gehörschutzes für Beschäftigte, ebenso zu möglichen Lärmminderungsmaßnahmen baulicher oder organisatorischer Art. Sie unterhält einen messtechnischen Dienst, der bei der Lärmermittlung im Betrieb unterstützt. Außerdem stellt die Berufsgenossenschaft umfangreiche Informationen zum Thema Lärm, Lärmvermeidung und Gehörschutz zu Verfügung. Hier lohnt sich ein Blick ins Themenfeld „Lärm- und Gehörschutz“ im Kompendium Arbeitsschutz, ebenso wie ins offene Lernportal der BGHW. Dort finden Interessierte Schulungsfilme für die Unterweisung. Außerdem bietet sie für Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Führungskräfte regelmäßig das Seminar „Lärm am Arbeitsplatz“ an.

 

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