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Mit Interview

Cannabis-Legalisierung und Nebenwirkungen

ca. 3 Minuten Lesezeit

 

Das Wichtigste im Überblick

  • Die Cannabis-Legalisierung treibt viele Verantwortliche und Führungskräfte um.
  • Was tun, wenn Beschäftigte im Kollegenkreis unter Alkohol- oder Drogeneinwirkung arbeiten?
  • Wer trägt die Verantwortung, wenn etwas passiert? Wie kann ich vorbeugen?
  • Über rechtliche Konsequenzen informiert Ulrich Süßner. Er ist BGHW-Referatsleiter Verkehrssicherheit und Transport sowie Mitglied im DGUV-Sachgebiet Verkehrssicherheit in der Arbeitswelt.
  • Süßner zeigt weiter betriebliche Möglichkeiten zur Suchtprävention auf und informiert über Rechtssicherheit für Unternehmen.
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Empfehlungen für Suchtprävention am Arbeitsplatz

Die Cannabis-Legalisierung wirft für Arbeitgeberinnen, Arbeitgeber und Verantwortliche viele Fragen auf. Ulrich Süßner ist BGHW-Referatsleiter Verkehrssicherheit und Transport sowie Mitglied im DGUV-Sachgebiet Verkehrssicherheit in der Arbeitswelt. Er spricht über rechtliche Konsequenzen und zeigt betriebliche Möglichkeiten zur Suchtprävention auf.

 

Wer trägt die Verantwortung?

Ein leuchtend Orange-farbener Erste-Hilfe-Kasten liegt geöffnet auf dem Asphalt. Um ihn herum liegen Scherben, Splitter und ein Leitpfosten..
Wer trägt die Verantwortung, wenn etwas passiert?

Ab 1. April 2024 ist der Eigenanbau und Besitz von Cannabis für Volljährige erlaubt. Das bedeutet unter anderem, dass der Hanfstoff mit Rauschwirkung im Betäubungsmittelgesetz nicht mehr als verbotene Substanz gilt. In der Arbeitswelt treibt die bevorstehende Gesetzesänderung viele Verantwortliche und Führungskräfte um. Was tun, wenn Beschäftigte im Kollegenkreis unter Alkohol- oder Drogeneinwirkung arbeiten? Wer trägt die Verantwortung, wenn etwas passiert? Wie kann ich vorbeugen?
„Die Diskussionen und Unsicherheiten leben nur, weil juristisch nicht sicher ist, wie mit dem Thema Drogen- und Alkohol-Konsum und dessen Auswirkungen auf die Arbeit umzugehen ist“, sagt Ulrich Süßner. Es sei ein Klassiker, dass in vielen Unternehmen die Beantwortung dieser Fragen und der Umgang damit nicht wirklich geregelt sei. „Suchtmittelmissbrauch am Arbeitsplatz oder Arbeiten unter Drogen- oder Alkoholeinwirkung sind ein heikles Thema. Viele Vorgesetzte haben Angst, etwas falsch zu machen, weil es keine eindeutigen gesetzlichen Vorgaben und Leitlinien, wie zum Beispiel: ‚Du darfst nicht mit zwei Bier arbeiten‘“, betont der BGHW-Referatsleiter Verkehrssicherheit und Transport.

Es fehlt an zuverlässigen Regelungen

Ein Mann im blauen Hemd sitzt mit geschlossenen Augen vor einem Bildschirm am Schreibtisch und zieht mit der linken Hand die Augenbrauen zusammen. Er wirkt müde.
Das Thema Cannabiskonsum und Nebenwirkungen verunsichert und wirft Fragen auf.

Erschwerend hinzu komme, dass es – anders als bei Alkoholkonsum – keine wirklichen Grenzwerte gibt, ab denen ein Cannabiseinfluss als gegeben angesehen werden kann. Es fehle erst recht an zuverlässigen Regelungen und Hinweisen, die den berauschenden Wirkstoff THC (Tetrahydrocannabinol) und den Einfluss auf die Arbeits- und Verkehrstüchtigkeit definieren, erläutert Süßner. „Ist der Kollege oder die Kollegin so langsam und möglicherweise leicht abwesend, weil er oder sie gekifft hat? Oder einfach schlecht drauf oder vielleicht schon immer so gewesen?“ Eine Frage, die nur schwer eindeutig zu beantworten sei. 
Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber habe zwar nach dem Arbeitsschutzgesetz alle notwendigen Maßnahmen zur Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz und zur Vorbeugung von Unfällen zu treffen. „Wenn aber Beschäftigte unauffällig unter Drogen oder Alkoholeinfluss arbeiten und es passiert etwas, wird es brenzlig“, so Süßner.

Diese Grauzone kann im Falle eines Unfalls oder Schadens immense Folgen haben.

Ulrich Süßner, BGHW-Referatsleiter Verkehrssicherheit und Transport und Mitglied im DGUV-Sachgebiet Verkehrssicherheit in der Arbeitswelt

DGUV Vorschrift 1 dient zur Orientierung

Als Orientierung und Grundlage der rechtlichen Rahmenbedingungen dient die DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“. Darin heißt es auch, dass sich Versicherte durch Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen dürfen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden könnten. „Gleichzeitig aber wird so vom Unternehmer oder von der Unternehmerin erwartet, dass er oder sie beurteilt, ob Beschäftigte arbeitsfähig sind oder nicht“, sagt der BGHW-Präventionsfachmann. Denn sie dürften Beschäftigte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen. „Das empfinden viele als Wischi-Waschi-Formulierung – nicht ohne Grund. Wann ist das erkennbar?“, so Süßner. Diese Grauzone könne im Falle eines Unfalls oder Schadens immense Folgen haben. Im Falle eines Unfalls trage der Unternehmer bzw. die Unternehmerin die Verantwortung, sagt der BGHW-Verkehrssicherheitsexperte. (rik)

Machen sie klare und kompromisslose Ansagen!

Ulrich Süßner empfiehlt zur innerbetrieblichen Suchtprävention:

  • Verankern Sie transparente und klare Regelungen zum Verbot von Arbeiten unter Alkohol- oder Drogenkonsum in einer Betriebsvereinbarung. Das ist im Interesse aller Beteiligten und gibt Unternehmen und Beschäftigten Sicherheit.
  • Machen sie klare und kompromisslose Ansagen.
  • Binden Sie bei Vereinbarungen, die das Thema Alkohol und Drogen am Arbeitsplatz betreffen, falls vorhanden, frühzeitig den Betriebsrat ein. Dieser vertritt auch ob seiner Mitbestimmungspflicht die Interessen der Beschäftigten.
  • In Unternehmen ohne Personalvertretung vereinbaren Unternehmerinnen, Unternehmer und Beschäftigte dies schriftlich, z.B. als Bestandteil des Arbeitsvertrages. Eine vernünftige Gefährdungsbeurteilung, die auch dieses Themenfeld mit behandelt, ist auch in diesem Fall  sehr hilfreich und eine gute Orientierung
  • Vereinbaren Sie schriftlich, dass Mitarbeitende sich verpflichten, nüchtern und clean, sprich ohne Alkohol- und Drogeneinwirkung, zur Arbeit zu kommen und ihre Tätigkeit aufnehmen und bis zum Arbeitsende nüchtern bleiben, auch während der Arbeitszeit keinen Alkohol, keine Drogen zu sich zu nehmen. Machen Sie auch klar, welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen drohen, wenn man sich nicht daran hält. Und ziehen Sie das auch durch!
  • Sprechen Sie ein absolutes Alkohol- oder Drogenverbot im Betrieb und am Arbeitsplatz aus!
  • Lassen Sie keine Ausnahmen zu, Alkohol auszuschenken. Auch nicht bei offiziellen Feierlichkeiten. Wenn doch: Regeln Sie, zum Beispiel wie die Beschäftigten nach Hause kommen und wie interveniert wird, wenn jemand über die Stränge schlägt etc.
  • Berücksichtigen Sie für den Fall der Fälle die Durchführung eines Drogen- oder Alkoholtests.
  • Grundsätzlich gilt: Scheuen Sie sich nicht, Alkohol- oder Drogenkonsum zu thematisieren. Die Pflicht aller Verantwortlichen im Unternehmen ist es, nicht wegzuschauen. Weder ist Alkohol- und Drogenkonsum zu verharmlosen, noch zu tabuisieren.

Was tun beim Verdacht auf Alkohol- oder Drogeneinwirkung bei der Arbeit?

  • Suchen Sie das Gespräch – aber keine Diskussionen mit Personen, die noch betrunken und/oder bekifft sind.
  • Bieten Sie an, einen Test durchzuführen, der schnell und unkompliziert darstellt, ob Drogen oder Alkohol konsumiert wurden. Nach dem Motto: „Wenn du nicht getrunken hast bzw. keine Drogen konsumiert hast, wirst du sicher nichts gegen einen Test haben. Dann sind wir beide auf der sicheren Seite …!“
  • Besprechen Sie die Möglichkeiten technischer Sicherheitsmaßnahmen mit Betriebsrat und Beschäftigten, z. B. den Einsatz von Alkoholwegfahrsperren – die zuverlässig das Führen eines Fahrzeuges unter Alkoholeinfluss verhindern. Wischtests können ohne große Umstände Drogenkonsum nachweisen.
  • Sollte eine Person wegen Drogen- oder Alkoholeinwirkung nicht in der Lage sein, ihre Arbeit auszuführen oder ein Fahrzeug zu führen: Verständigen Sie sich darauf, ein Taxi zu bestellen oder ein Familienmitglied zu benachrichtigen, um den oder die Betroffene abholen zu lassen.
  • Machen Sie konsequent von Ihrem Hausrecht bzw. Direktionsrecht Gebrauch, wenn Sie Alkohol oder Drogenmissbrauch vermuten und der/die Betroffene nicht kooperiert.
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