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Mit Interview

Steharbeitsplätze – Studie

ca. 5 Minuten Lesezeit

Das Wichtigste im Überblick

  • Venen- und Muskel-Skelett-Beschwerden: Eine Studie des Instituts für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Tübingen entwickelt und validiert ein Bewertungsinstrument (Risikoindex) zur Gefährdungsbeurteilung von Steharbeitsplätzen im Bereich Handel und Warenlogistik.
  • Interessierte Probandinnen und Probanden gesucht!
  • Vorteil für Teilnehmende: Kurzfristig erhalten sie u.a. ein kostenloses Beinvenen-Screening, langfristig können ihre Arbeitsplätze besser gestaltet werden.
  • Vorteil für Mitgliedsunternehmen: Verbesserung der Gefährdungsbeurteilung bei Steharbeit
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Risiko Steharbeitsplatz? Nehmen Sie an der Studie teil!

Unterstützen Sie die Forschung zu Steharbeit sowie Venen- und Muskel-Skelett-Beschwerden.

Das Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Tübingen entwickelt und validiert einen Risikoindex zur Gefährdungsbeurteilung von Steharbeitsplätzen. Im Fokus stehen dabei mögliche venöse Erkrankungen und Muskel-Skelett-Beschwerden. Die Studie wird von der BGHW gefördert. Dr. Carmen Volk gehört zum Projektteam und erläutert die Bedeutung der Studie für den Arbeitsschutz.

Porträt Dr. Carmen Volk vom Universitätsklinikum Tübingen
Dr. Carmen Volk gehört zum Projektteam der Studie zu Steharbeitsplätzen.

Frau Dr. Volk, was war der Anlass für die Studie zur Steharbeit?

Dr. Carmen Volk: Viele Beschäftigte haben einen Steharbeitsplatz, vor allem im Handel und in der Warenlogistik. Außerdem wird andauerndes Stehen mit dem Risiko von Muskel-Skelett-Beschwerden und Venenerkrankungen assoziiert. Daher ist der Bereich Prävention bei der BGHW an einer genaueren Analyse interessiert und unterstützt das Tübinger Institut bei dieser Thematik. 

Welche Erkenntnisse gibt es bisher zur Steharbeit?

Dr. Carmen Volk: Bislang gibt es verschiedene Handlungsempfehlungen zur Gestaltung von Steharbeitsplätzen, um das Risiko für die Entwicklung von Venenerkrankungen und Muskel-Skelett-Beschwerden zu reduzieren. Diesen Empfehlungen fehlt jedoch die wissenschaftliche Basis. Es ist bisher zum Beispiel nicht ausreichend geklärt, wie häufig man tatsächlich zwischen Gehen, Stehen und Sitzen wechseln soll, um einen schützenden Effekt zu erzielen. 

Was ist aus Sicht des Arbeitsschutzes das Ziel der Studie ?

Dr. Carmen Volk: Ziel ist es, ein Bewertungsinstrument zur Gefährdungsbeurteilung und Gestaltung von Steharbeitsplätzen zur Verfügung zu stellen. Dabei wird auf Basis des Steh-, Geh- und Sitzanteils und der Häufigkeit von Belastungswechseln das Risiko für die Entwicklung von Venenerkrankungen und Muskel-Skelett-Beschwerden eingestuft, sodass Gestaltungsmaßnahmen abgeleitet werden können.

Die BGHW finanziert diese Forschungsarbeit aus den Mitteln der Mitgliedsbeiträge. In welcher Form sind die Mitgliedsbetriebe eingebunden? 

Dr. Carmen Volk: Die Mitgliedsbetriebe sind über den Präventionsausschuss, der die Projektförderung bewilligt hat, eingebunden. Zu diesem Ausschuss gehören zu gleichen Teilen die ehrenamtlichen Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Über den regelmäßig tagenden Forschungsbegleitkreis wird der Präventionsausschuss über den aktuellen Projektstand informiert und es wird erörtert, wie das Projekt, zum Beispiel bei der Probandensuche, unterstützt werden kann. Außerdem erhält der Ausschuss einmal pro Jahr einen Projektbericht.

Was umfasst die Studie?

Dr. Carmen Volk: Sie umfasst zwei Projekte: den Risikoindex 1.0, dieses Projekt lief von 2015 bis 2018 und den Risikoindex 2.0, das Projekt läuft aktuell. 

Was haben Sie im ersten Projekt Risikoindex 1.0 untersucht?

Dr. Carmen Volk: Im Projekt Risikoindex 1.0 haben wir in Laborstudien den Einfluss von längerem Stehen, Gehen und dem Wechsel zwischen Gehen und Stehen auf Risikoparameter für venöse Erkrankungen und Muskel-Skelett-Beschwerden untersucht. Insgesamt 47 Personen – Männer und Frauen verschiedenen Alters – hatten beispielsweise die Aufgabe, zwei Stunden zu stehen und zu gehen und zwischen Gehen und Stehen in einem vorgegebenen Verhältnis zu wechseln. Wir haben währenddessen untersucht, ob bei den Probandinnen und Probanden Beschwerden im unteren Rücken und in den Beinen auftreten. Außerdem haben wir uns die Ödem-Entwicklung in den Unterschenkeln angeschaut. Anhand der Ergebnisse der Studie haben wir den Risikoindex 1.0 erstellt. Dieser versucht anhand des Steh- und Gehanteils am Arbeitsplatz das Risiko für venöse Erkrankungen und Muskel-Skelett-Beschwerden vorherzusagen. Da wir aber bisher das Sitzen noch nicht berücksichtigt hatten und uns ein Vergleich zu echten Erkrankungen von Beschäftigten an Steharbeitsplätzen fehlte, wurde das Risikoindex 2.0 Projekt initiiert. 

Welche Rolle spielt die Ödem-Entwicklung?

Dr. Carmen Volk: Sie ist ein Risikoanzeiger für die Entwicklung von venösen Erkrankungen. Bilden sich bei einer Probandin oder einem Probanden Ödeme, können wir daraus folgern, dass eine erhöhte Belastung der Venen besteht. Langfristig könnte sich die Venenstruktur verändern. Gleichzeitig sehen wir: Verändert eine Person die Belastung und wechselt zwischen Stehen und Gehen, bilden sich Ödeme zurück. 

Wie gehen Sie beim Projekt Risikoindex 2.0 vor? 

Dr. Carmen Volk: Wir haben zunächst in einer Laborstudie untersucht, welchen Effekt ein Belastungswechsel mit sitzenden Tätigkeiten auf das Gesundheitsrisiko hat. Der Risikoindex wird nun um diesen Aspekt erweitert. Jetzt geht es um die Validierung des Risikoindexes. 

Und statt im Labor sind Sie jetzt im Feld unterwegs?

Dr. Carmen Volk: Genau. Wir gehen seit Oktober 2021 in die Betriebe, zum Beispiel in die Mitgliedsbetriebe der BGHW, und untersuchen die Probandinnen und Probanden vor Ort. 

Suchen Sie noch Probandinnen und Probanden?

Dr. Carmen Volk: Auf jeden Fall. Interessentinnen und Interessenten können sich sehr gerne bei uns melden.

Haben Sie Interesse an einer Studienteilnahme?

Wenn Ihre Arbeitgeberin bzw. Ihr Arbeitgeber zustimmt, melden Sie sich bei Dr. Carmen Volk und ihrem Team vom Universitätsklinikum Tübingen – siehe Kontakt-Button​​​​.

Bitte planen Sie Folgendes ein:

Kurzes Telefoninterview, um die Teilnahmebedingungen zu klären (u.a.: sind Sie zwischen 25 und 55 Jahren alt, Sie arbeiten mindestens 30 Stunden pro Woche an mindestens 4 Tagen pro Woche, Sie sind seit mindestens zwei Jahren in der aktuellen Tätigkeit beschäftigt).

24 Stunden einen Aktigraphen (Sensor zur Erfassung des Bewegungszustands) und einen Herzfrequenzsensor tragen

ca. 75-90-minütige Ultraschalluntersuchung der Beinvenen, körperliche Funktionstests und Ausfüllen eines Fragebogens 

Symbol mit einem Ausrufezeichen
Person mit Aktigraphen am rechten Oberschenkel
Der Aktigraph wird 24 Stunden getragen. Während der Tragezeit misst er, wie lange eine Person steht, geht und sitzt.

Was erwartet die Probandinnen und Probanden? 

Dr. Carmen Volk: Wir führen zuerst ein Telefoninterview mit der Probandin bzw. mit dem Probanden um abzuklären, ob sie oder er alle Kriterien für eine Teilnahme erfüllt. Danach folgen zwei Tage im Unternehmen. Am ersten Tag trägt die betreffende Person nach einer 30-minütigen Einführung vor Arbeitsbeginn für 24 Stunden einen Aktigraphen und einen Herzfrequenzsensor. Der Aktigraph misst, wie lange die Person am Arbeitsplatz steht, geht und sitzt. Über diese Angaben können wir objektiv einstufen, wie lange eine Person gestanden und gesessen hat und gegangen ist. Am zweiten  Tag treffen wir uns vor Arbeitsbeginn mit der Probandin bzw. dem Probanden und führen einen Ultraschall der Beinvenen durch. Damit erfassen wir den Gesundheitsstatus des Venensystems an mehreren Stellen. Wir schauen uns den venösen Rückfluss an: Schließen die Venenklappen noch suffizient oder nicht mehr. Außerdem machen wir verschiedene Funktions- bzw. Beweglichkeitstest, um zu erfassen, ob Muskel-Skelett-Beschwerden im unteren Rücken und den Beinen vorliegen. Zuletzt füllen die Beschäftigten noch einen Fragebogen aus, in dem z.B. Muskel-Skelett-Beschwerden im unteren Rücken und den Beinen abgefragt werden. 

 

Was haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einer Teilnahme?

Dr. Carmen Volk: Der größte Vorteil ist die Ultraschalluntersuchung. Das zeigen auch die bereits erfolgten Termine. Wir schauen uns mit der Probandin bzw. dem Probanden gemeinsam die Ultraschallbilder an. Diese direkte Rückmeldung, wie es um die eigenen Venen steht, finden viele spannend.

Wie sieht das Bewertungsinstrument aus?

Dr. Carmen Volk: Die Software wird eine simple Nutzeroberfläche haben. In diese müssen die Nutzerinnen und Nutzer nur wenige Daten eingeben. Beispielsweise wie häufig eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter am Tag steht, geht und sitzt. Das System wertet die Daten aus und ermittelt, ob ein geringes, mittleres oder hohes Risiko für eine Venenerkrankung und oder Muskel-Skelett-Beschwerden besteht. Das Unternehmen kann daraufhin überlegen, an welchen Stellschrauben gegebenenfalls gedreht werden muss, um mehr Belastungswechsel und Bewegung in den Arbeitsalltag einzubauen.

Wann ist die Studie abgeschlossen?

Dr. Carmen Volk: Wir wollen die Studie 2023 abschließen. 

 

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