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Amputation nach Arbeitsunfall

ca. 5 Minuten Lesezeit

Das Wichtigste im Überblick:

  • Baggerfahrer Werner Stähler hat nach einem Arbeitsunfall beide Beine verloren. Erfolgreich kämpft er sich ins Leben zurück.
  • Einblick in das Heilverfahren in einer Berufsgenossenschaftlichen Klinik bei komplexen, schweren Verletzungen.
  • Überblick der Leistungen, die die BGHW erbringt, um Versicherten nach einem schweren Arbeitsunfall Mobilität im Alltag zurückzugeben.
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Ein neuer Lebensabschnitt

Werner Stähler verliert nach einem Arbeitsunfall beide Beine. Doch ausbremsen lässt sich der Baggerfahrer davon nicht. Im Gegenteil: Mithilfe der BGHW und mit viel Ehrgeiz nimmt er in allen Lebensbereichen wieder volle Fahrt auf.

Es ist Freitag, der 9. Juli 2021. Arbeitsbeginn auf dem Gelände eines Schrott- und Altmetallhandels in Siegen. Werner Stähler ist auf dem Weg zum Meisterbüro, als ein Lkw hinter ihm plötzlich anfährt, ihn an der Schulter erwischt und zu Boden wirft. In Sekundenbruchteilen werden seine Beine von dem tonnenschweren Laster überrollt. „Ich wurde einige Meter mitgeschleift“, erzählt der 65-Jährige heute, ein Jahr nach dem Arbeitsunfall. Der Meister hört damals seine Schreie, eilt herbei und bringt den Lkw zum Stehen. Trotz des entsetzlichen Anblicks schnappt er geistesgegenwärtig seine Warnweste und stoppt damit die Blutungen. Stähler ist sich sicher: „Sonst wäre ich verblutet, noch bevor der Notarzt eingetroffen wäre.“

Stähler wird in einem Siegener Krankenhaus stabilisiert, anschließend in das BG-Klinikum Bergmannsheil in Bochum geflogen. Während der Familienvater zehn Tage im Koma liegt, wird er von den Spezialisten dort mehrmals operiert. „Als ich aufwachte, war mein rechtes Bein bereits amputiert.“ Mithilfe von Hauttransplantationen versuchen die Chirurgen alles, um das linke Bein zu retten – vergeblich. Sechs Wochen nach dem Unfall amputieren ihm die Ärzte auch den linken Unterschenkel.

Ständig an Stählers Seite ist seine Frau. Sie sei erstaunt gewesen, wie schnell er sich trotz der Schwere der Verletzungen gefangen habe und sein Lebensmut wieder erwacht sei. „Als ich in der zweiten Woche nach Currywurst und Pommes fragte, war meine Frau schon ziemlich überrascht“, lacht Stähler. Dass seine Familie ihn normal behandelt, seine Kinder ihn weiterhin necken und „Blödsinn machen“, ist genau die richtige Medizin für ihn.

Nach der zweiten Amputation schritt die Genesung schnell voran.

Werner Stähler, Baggerfahrer und BGHW-Patient

Alles aus einer Hand

Reha-Beraterin Yvonne Dylla steht mit Werner Stähler in regelmäßigem Austausch und bespricht mit ihm seine nächsten Ziele – beruflich und privat.

Nach neun Wochen und insgesamt 17 Operationen wird Werner Stähler in die angeschlossene Reha der Klinik verlegt. Von BGHW-Seite wird er von Reha-Beraterin Yvonne Dylla betreut. Sie ist froh, dass Werner Stähler nach diesem Arbeitsunfall so schnell in das BG-Klinikum Bergmannsheil eingeliefert wurde. „Gerade bei komplexen Fällen und schwersten Verletzungen ist die Aufnahme in einer BG-Klinik von Vorteil“, erklärt sie. „Die Patienten profitieren von der engen Verzahnung von Akut- und Reha-Medizin. Ohne Zwischenschritte und Wartezeiten.“

Yvonne Dylla ist wöchentlich in der BG-Klinik, um sich persönlich ein Bild von dem Gesundheitszustand der BGHW-Versicherten zu machen: in Sprechstunden mit dem Chefarzt und im ständigen Austausch mit dem Patienten. „Als Reha-Berater betreuen wir die Patienten natürlich auch mental“, erklärt sie. „Wir informieren über die nächsten Schritte und geben ihnen das gute Gefühl, dass zeitnah etwas passiert. Dass das Leben weitergeht. Bei der Genesung spielt – neben der medizinischen Behandlung – der Faktor Psyche eine große Rolle.“

Das zeigt sich im Fall Stähler besonders eindrucksvoll: Der Ehrgeiz des beidseitig amputierten Mannes ist ungebrochen: In der Gangschule trainiert er viele Stunden täglich. Und das Rollstuhltraining auf der Rolltreppe? „Hat mächtig Spaß gemacht“, erzählt er. Statt mit seinem Schicksal zu hadern, freut er sich über Fortschritte und setzt sich ständig neue Ziele. Zwischenzeitlich erwischt man ihn sogar an der Kletterwand, die natürlich nicht auf dem Trainingsplan steht. „Mein größter Ansporn war, dass ich die Klinik laufend auf den Prothesen verlasse. Wäre das Glatteis im Dezember nicht gewesen, hätte ich es geschafft!“

Zurück zur Selbstständigkeit

SMARTE HELFER: Die Gangarten (z.B. für das Treppensteigen) und die Geschwindigkeit können über eine Bluetooth-Verbindung mit dem Smartphone eingestellt werden.

Während Stähler in der Reha noch trainiert, wird sein Haus von einem Architekten bewertet, der auf barrierefreies Wohnen spezialisiert ist. Der Bedarf an Mehrfläche wird berechnet, mögliche Umbaumaßnahmen geprüft. Denn selbst wenn der 65-Jährige mit Prothesen versorgt ist, bleibt er im Alltag auf den Rollstuhl angewiesen. Die Berufsgenossenschaft bezuschusst eine Außenliftanlage und bezahlt nötige Umbauten, damit Stähler alle Ebenen des Hauses erreichen kann. Da der Durchbruch jedoch eines der Kinderzimmer treffen würde, kommt dieser für die Eheleute Stähler aktuell nicht in Frage. Der Treppenlift – eigentlich nur Übergangslösung – genügt dem Versicherten. Der Badewannenlift soll jedoch zeitnah weichen, der Umbau für das barrierefreie Bad ist beschlossene Sache. 

Ganz oben auf der Agenda: Mobilität

Neben dem barrierefreien Wohnen soll der Versicherte sich außerdem ohne Hürden fortbewegen können. „Doch im öffentlichen Nahverkehr ist man weit davon entfernt, sich als Rollstuhlfahrer frei bewegen zu können. Wenn man dazu noch so abgelegen wohnt, wird es problematisch. Deswegen war uns wichtig, so viel Mobilität wie möglich wiederherzustellen“, so Reha-Beraterin Dylla. Mobilität beginnt damit, dass der Versicherte das Haus eigenständig verlassen kann. Im Fall von Stähler gewährleistet das eine elektrische Hebebühne, die an der Treppe zur Eingangstür installiert wurde. „Zuvor musste immer jemand da sein, der mich mitsamt Rollstuhl runterträgt. Das war ein Riesenakt“, erinnert er sich.

Ein wichtiger Meilenstein: allein Auto fahren. Fünf Fahrstunden und eine 45-minütige Prüfung später kann er nun seinen umgebauten Pkw mithilfe eines Joysticks bedienen: „Jetzt fahre ich, wohin ich will.“ Zuhause bewegt sich Stähler meist im Rollstuhl, damit ist er „schneller unterwegs“. Zumal das Laufen auf den Prothesen viel Kraft erfordert. „Aktuell testen wir, welche Prothesenfunktionen für seine Bedürfnisse ideal sind – auch mit Aussicht auf seinen Wiedereinstieg in den Beruf“, sagt Yvonne Dylla.

FAMILIENLEBEN: Damit der zweifache Vater sich auch im Garten bewegen kann, stellte ihm die BGHW einen zweiten Rollstuhl für die untere Ebene zur Verfügung.

Denn Stähler möchte in seinen alten Job zurück und auch als Baggerfahrer wieder Gas geben. Der Bagger wird ohnehin per Hand bedient, das stellt also kein Problem für die Wiederaufnahme seiner Arbeit dar. Um die endgültige Prothesenversorgung für den Ein- und Ausstieg sowie nötige Anpassungen der Arbeitsplatzumgebung kümmert sich die Berufsgenossenschaft als nächstes. Dafür steht die BGHW im engen Austausch mit dem Arbeitgeber. Werner Stähler konzentriert sich weiterhin auf die positiven Dinge. Dinge, die ihm das Gefühl von Normalität zurückgeben: „Das ist für mich einfach ein normaler, nur eben ein neuer Lebensabschnitt.“ Besonders freut er sich auf das in Aussicht gestellte Handbike und die erste (fast) normale Fahrradtour mit der Familie.

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