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Mit starkem Willen zurück ins Leben

ca. 3 Minuten Lesezeit

Ehrgeiz, Kraft und gute Laune: Tim gibt nicht auf!

Schweres Schädelhirntrauma, Kieferbruch, mehrfache Rippen- und Beckenbrüche und ein Oberschenkelhalsbruch: Die Folgen eines schweren Unfalls beeinträchtigen den 19-jährigen Tim Mayer bis heute. Seit dem 12. November 2020 kämpft er sich mit Ehrgeiz, Kraft und guter Laune zurück ins Leben. Die BGHW unterstützt ihn dabei.

Mit lachendem Gesicht abolsviert Tim Liegestütz im Fitnessraum. Er stützt sich in Bauchlage auf seine Hände und Füße, sein Körper ist einige Zentimeter über dem Boden.
So oft es geht ist trainiert Tim im Fitnessraum. Liegestütz gehören fest zum Trainingsplan.

Erklärtes Ziel: Sixpack-Bauch

Gut gelaunt und mit entwaffnender Offenheit schildert Tim Mayer seinen steinigen Weg und seine Ziele. Eines davon: einen Sixpack-Bauch antrainieren, den man jederzeit sieht. "Von meiner früheren Physiotherapeutin Alix soll ich ausrichten, dass die Therapie viel gebracht hat. Aber dass ich wirklich wieder lauf’, das liege vor allem an meinem starken Willen, sagt sie. Sie meint wahrscheinlich meinen Dickschädel", erzählt der heute 21-Jährige und lacht. 

 

Tim Mayer und Reha-Berater Hartmut Wahlig sitzen sich auf einer Couch gegenüber und sprechen miteinander.
Mit BGHW-Reha-Berater Hartmut Wahlig (rechts) tauscht sich Tim regelmäßig aus.

Vom künstlichen Koma zur ersten Reha

Seit Herbst 2022 ist Tim angehender Fachpraktiker für technisches Produktdesign im Berufsbildungswerk der Rummelsberger Diakonie. Auch während der Ausbildung steht ihm BGHW-Reha-Berater Hartmut Wahlig zur Seite. Seinen Optimismus und seine gute Laune hat er sich durch den schweren Unfall nicht nehmen lassen. Das bestätigen auch Ausbilderin Adelheid Stiegler und Hartmut Wahlig. Lange Zeit war Tim nicht bewusst, was sich am frühen Morgen des 12. November 2020 ereignet hatte: Ein Pkw war gegen ihn geprallt, als er mit dem Rad die Straße überquerte. Der damals 19-Jährige wurde auf die Gegenfahrbahn geschleudert, von einem VW-Bus überrollt und schwer verletzt unter dem Fahrzeug eingeklemmt. Ersthelfer konnten ihn befreien und reanimierten ihn, bis die Rettungskräfte eintrafen.

Tim Mayer steht in einer Gehilfeübungsgerät. Vor ihm steht eine Frau, die ihn an den Händen fasst und bei den Gehübungen unterstützt.
Im ersten Jahr nach seinem Unfall trainierte Tim Mayer mit einem Gehilfeübungsgerät.

Erinnerungen sickern langsam durch

Auf der Intensivstation im Katharinenhospital des Stuttgarter Klinikums wurde Tim in ein künstliches Koma versetzt, durch einen Luftröhrenschnitt künstlich beatmet. Auch von den Kiefer- und Oberschenkeloperationen, die kurz nach dem Unfall durchgeführt wurden, erfuhr er erst später. Viele Wochen verbrachte Tim in einem schläfrigen Dämmerzustand. "An die Zeit – etwa ein Jahr vor und ein halbes Jahr nach meinem Unfall – kann ich mich nicht mehr erinnern", sagt er. Erst Monate später sickerten erste Erinnerungen durch. Mitte Dezember 2020 wurde er in das Hegau-Jugendwerk in Gailingen in Nähe des Bodensees verlegt. "Die Fachklinik und das Rehabilitationszentrum sind auf Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene nach neurologischen Erkrankungen oder Verletzungen spezialisiert", erläutert Reha-Berater Wahlig.

In enger Abstimmung mit Tim, seinen Eltern, Ärztinnen und Ärzten sowie Therapeutinnen und Therapeuten steuert er bis heute das Heilverfahren und die erforderlichen Rehabilitationsmaßnahmen für den zielstrebigen jungen Versicherten. "Er machte schon sehr früh gute Fortschritte", so Wahlig. Neben Physio- und Ergotherapien sowie logopädischer Förderung stand im Hegau-Jugendwerk die berufliche Rehabilitation im Mittelpunkt.

Tim Mayer steht mitten in einem Raum mit mehreren Tischen, auf denen Computer stehen. Er lehnt sich an einen Tisch und schaut lächelnd in die Kamera.
Tim Mayer fühlt sich wohl im Computerraum des Berufsbildungswerks. Dort macht er eine Ausbildung zum Fachpraktiker für technisches Produktdesign.

"Ich arbeite lieber mit dem Kopf"

Die Erfahrungen, die er in einem Praktikum im Berufsbildungswerk Rummelsberg sammelte, halfen ihm bei der Berufswahl. "Eigentlich wollte ich Zerspanungsmechaniker werden", so Tim. "Während der praktischen Arbeit habe ich gemerkt: Das ist nicht mein Ding. Ich arbeite lieber mit dem Kopf. Daher habe ich mich für den Fachpraktiker für technisches Produktdesign entschieden, und das war gut so", erzählt er strahlend. Unzufrieden sei er mit den Fortschritten in der Berufsschule und seinen Noten. "Das kenne ich so nicht. Mein Abitur habe ich mit einem 1,8er-Durchschnitt gemacht", berichtet Tim. In der Schule sei er vor seinem Unfall meist mit Einsen und Zweien benotet worden. "Jetzt schreibe ich Dreien und Vieren und muss viel mehr dafür lernen. Das ist frustrierend. Aber daran arbeite ich", betont er.

Tim Mayer sitzt am Tisch, seine Ausbilderin Adelheid Stiegler steht hinter ihm. Beide schauen lachend auf einen Bildschirm.
Adelheid Stiegler (rechts) steht Tim Mayer im Berufsbildungswerk Rummelsberg als Ausbilderin zur Seite.

Gute Stimmung wirkt sich aus

"Diese Ausbildung ist ein guter Kompromiss zu meinem früheren Dualen Studium der Fachrichtung Maschinenbau, weil mein Kopf noch nicht ganz mitmacht. Aber das wird", betont Tim zuversichtlich. Am Computer erstellt er Zeichnungen von Werkstücken und Bauteilen für Maschinen. Auch das praktische Arbeiten an der Werkbank gehört zur dreieinhalbjährigen Ausbildung. "Nach einem Jahr kann er bei entsprechenden Leistungen auf die Vollausbildung zum Produktdesigner umswitchen", erläutert Adelheid Stiegler. "Und das habe ich fest vor", ergänzt Tim. 

Manchmal spricht er etwas schnell und unkontrolliert, hat sich aber rasch wieder im Griff: Durch die Therapiestunden mit einer Logopädin werden die Auswirkungen seiner Kopfverletzungen auf das Sprachzentrum stetig weniger. "Meine Sprache ist schon wesentlich besser geworden, seitdem ich hier bin", sagt er. Das bestätigt auch Ausbilderin Adelheid Stiegler: "Zudem hat Tim eine außergewöhnlich positive Einstellung und ist häufig guter Stimmung. Das wirkt sich auf die ganze Ausbildungsstufe aus", unterstreicht sie.

Tim Mayer sitzt in Sportkleidung an einem Kraftgerät und drückt mit zwei Händen Gewichte.
Tim Mayer am Trainingsgerät. Sein Ziel: Waschbrettbauch.

Gedächtnistraining per App

Mit einer Handy-App trainiert der sportliche Auszubildende regelmäßig sein Gedächtnis. Auch körperlich wird Tim Mayer immer fitter. Sobald er Zeit hat, trainiert er im Fitnessstudio. Das Gelände des Berufsbildungswerks umfasst neben dem Trainingsraum auch seinen Ausbildungsplatz, die Berufsschule, Werkstätten, ein Wohnheim und Freizeitangebote. "Ich fühle mich richtig wohl hier", erzählt der bekennende Football-Fan. Am Wochenende kann Tim mit Bus und Bahn nach Hause fahren, wo sein neues Mountainbike steht. Damit ist er immer häufiger auf Tour. Egal, wo er sich gerade aufhält: Eine Trainingseinheit steht seit September 2021 täglich auf seinem Programm: Waschbrettbauch in 30 Tagen. "Ohne das regelmäßige Bauchmuskeltraining wüsste ich nämlich nicht, was ich tun sollte, um meine Schokoladensucht nicht offensichtlich zu machen", verrät Tim grinsend.

Tim Mayer sitzt hinter seinem Computer-Bildschirm an einem Tisch und schaut in die Kamera.

Berufsbildungswerk Rummelsberg

Rund 200 Jugendliche und junge Erwachsene sind im Berufsbildungswerk der Diakonie Rummelsberg in Schwarzenbruck zurzeit in Ausbildung. Sie sind krankheits- oder unfallbedingt beeinträchtigt, psychisch oder seelisch erkrankt oder haben Schwierigkeiten beim Lernen. Auf dem Gelände der Diakonie leben und arbeiten rund 2.000 Menschen. Das Berufsbildungswerk ermöglicht Ausbildungen in mehr als 30 Berufen.

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