| Sicherheit

Nicht ohne meine Transponderuhr

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Das Wichtigste im Überblick

  • Smurfit Kappa Recycling GmbH verarbeitet Altpapier mit Kanalballenpressen.
  • Das Unternehmen führte bereits 2010 ein Sicherheitssystem mit Transpondern ein.
  • Jeder Produktionsmitarbeiter trägt eine Transponderuhr am Handgelenk. Sobald der Transponder in die Gefahrenzone gelangt, stoppen das Förderband und die Ballenpresse. 
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Viele Handels- und Recyclingunternehmen arbeiten mit Ballenpressen. Bei Smurfit Kappa Reycling GmbH im nordrhein-westfälischen Zülpich ist die Papierpresse das Herzstück der täglichen Arbeit. Das Sicherheitskonzept mit Transponderuhren ist den sieben Mitarbeitenden in Fleisch und Blut übergegangen.

Eine Digitalanzeige am Werkstor von Smurfit Kappa Recycling GmbH informiert über die Zahl der Unfälle. In diesem Jahr: Null.
Sicherheit an erster Stelle: Gleich am Werkstor gibt eine große Digitalanzeige Auskunft über die Unfälle in diesem Jahr: Null.

Gleich am Werkstor von Smurfit Kappa Recycling fällt einem eine große Null ins Auge. Sie steht für die Zahl der Unfälle in diesem Jahr. Des Weiteren gibt die Digitalanzeige Auskunft über die unfallfreien Tage: 1.375. Und über die Rekordanzahl unfallfreier Tage: 1.375. Arbeitssicherheit hat bei Smurfit Kappa Recycling einen sehr hohen Stellenwert.

Das Unternehmen ist einer der führenden Verpackungsanbieter weltweit. In Zülpich, rund 50 Kilometer westlich von Bonn, liegt das Recyclingunternehmen auf dem Gelände gleich neben der Papierfabrik des Konzerns. Von Montag bis Freitag liefern 60 bis 70 Lkw rund 1.300 Tonnen verschiedene Sorten Altpapier in loser Form auf das 18.800 Quadratmeter große Gelände. Gerade lädt ein Laster 16 Tonnen Mischpapier ab. In der Halle schieben die Mitarbeiter das Altpapier mithilfe von Gabelstaplern auf das Förderband der Ballenpresse, die das Material mit einer Presskraft von 122 Tonnen auf der anderen Seite des Schachtes als 1,40 Meter mal 1,10 Meter große Papierwürfel wieder ausgespuckt. Die Ballen werden zunächst gelagert, bis sie in der benachbarten Papierfabrik weiterverarbeitet werden.

Über Smurfit Kappa

  • Das irische Unternehmen ist als führender Anbieter von Verpackungen weltweit an 355 Standorten in 36 Ländern tätig.
  • Es bedient die Geschäftsfelder Verpackungen, Papier, Recycling und Forstwirtschaft.
  • In Deutschland hat das Unternehmen fünf Recycling-Niederlassungen und beschäftigt dort 163 Mitarbeitende.
  • Der Recycling-Standort Zülpich ist der jüngste davon und existiert seit 2019.
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Hohe Sicherheitsanforderungen

Die Halle von Die Halle von Smurfit Kappa Recycling GmbH mit Kanalballenpresse und Förderband in der Gesamtsicht. Neben dem Förderband türmt sich das lose Altpapier. tonnenweise Altpapier in loser Form zu Ballen presst.
Die Halle von Smurfit Kappa Recycling GmbH mit Kanalballenpresse, die täglich tonnenweise Altpapier in loser Form zu Ballen presst.

Andreas Sirries, seit 23 Jahren im Unternehmen, betreut als Health & Safety (H & S) Manager für die Recycling-Sparte die fünf Niederlassungen in Deutschland. „Die Anforderungen an die Sicherheit sind bei uns im Unternehmen sehr hoch“, sagt Sirries, der auch Fachkraft für Arbeitssicherheit ist. Das gilt vor allem für die große Ballenpresse in der Halle – der Dreh- und Angelpunkt der täglichen Arbeit der insgesamt sieben Mitarbeiter. Die einzige Frau am Standort ist Niederlassungsleiterin Nina Vedder.

Tödliche Unfälle

Solche Ballenpressen gibt es in vielen Handels- und Recyclingfirmen. Wie gefährlich sie sind, wissen Rolf-Jürgen Trabold und Marco Daudenberg vom Fachbereich Handel und Logistik bei der BGHW: „In der Vergangenheit ist es zu Unfällen gekommen, die meistens tödlich endeten. Es kann immer passieren, dass Mitarbeiter auf das Förderband geraten, zum Beispiel, wenn sie stürzen. Um Schlimmeres zu verhindern, müssen sie in der Lage sein, die Presse selbstständig zu stoppen. Früher dienten dazu mechanische Sicherheitssysteme wie Reißleinen, die der verunfallte Mitarbeiter ziehen musste. Aber was passiert, wenn er ohnmächtig geworden ist? Eine zulässige Alternative sind deshalb Personenschutzsysteme mit Transpondern.“

Wir haben uns damals für die Uhren entschieden, weil wir es einfach halten wollten und das Tragen der Armbänder sichtbarer sowie leicht zu kontrollieren ist.

Andreas SirriesH & S Manager und Fachkraft für Arbeitssicherheit bei Smurfit Kappa Recycling.
Andreas Sirries, H & S Manager bei Smurfit Kappa Recycling und Fachkraft für Arbeitssicherheit, hockt neben dem Förderband und hält eine Transponderuhr in den Händen.
H & S Manager Andreas Sirries hat die Transponderuhren mit eingeführt.

Armbänder statt Westen

Eine Hand zeigt sich nach oben auf einen grauer Kasten an einem gelben Metallrahmen, der sich über dem Einfülltrichter der Müllpresse befindet. Von dort wird das Antennensignal gesendet.
Vor dem Einfülltrichter befindet sich am gelben Metallrahmen ein grauer Kasten, der das Antennensignal aussendet.

„Um kein Sicherheitsrisiko einzugehen, hat Smurfit Kappa Recycling bereits 2010 europaweit ein Transpondersystem eingeführt“, berichtet H & S Manager Sirries. Im Unternehmen sind die Transponder an einem Armband befestigt, die wie eine Uhr am Handgelenk getragen werden. Jeder Mitarbeiter muss sie am Handgelenk tragen. Die Einführung in Deutschland wurde damals von der BGHW finanziell gefördert. Alternativen sind Warnwesten, in denen die Transponder eingenäht sind. „Wir haben uns damals für die Uhren entschieden, weil wir es einfach halten wollten und das Tragen der Armbänder sichtbarer sowie leicht zu kontrollieren ist.“ 

Notstopp im Radius von fünf Metern

Mitarbeiter holt sich eine Transponderuhr aus dem Schrank, in dessen Tür von innen drei Transponderuhren hängen.
Der Griff zum Transponder am Morgen ist selbstverständlich.

Oberhalb des Förderbandes vor dem Einfülltrichter der Presse sitzt auf einem gelben Metallrahmen ein Kasten, in dem sich die Antenne befindet. Sie hat einen Radius von fünf Metern. Wenn eine Person in diese Gefahrenzone gerät, unterbricht der Transponder das Antennensignal und stoppt dadurch die Presse. „Nur die Transponderuhr, die den Notstopp ausgelöst hat, kann die Maschine auch wieder in Gang setzen. Dadurch sind die Mitarbeiter vor Fehlbedienung und frühzeitigem Wiedereinschalten geschützt“, erklärt Betriebsleiter Christian Porten. „Deshalb sollte man die Transponderuhr abends auch nicht mit nach Hause nehmen.“ Anders als über das Förderband ist der Einfülltrichter gar nicht zu erreichen. Die Leiter, die zum Arbeitspodest in fünf Meter Höhe führt, ist mit einer Metallleiter und einem doppelten Schlüsselsystem gesichert, sodass niemand ohne Weiteres dort hinaufsteigen kann.

Der Betriebsleiter kennt noch die Arbeit mit Ballenpressen ohne die sicheren Transpondersysteme: „Da muss man schon sehr gut auf sich aufpassen. Denn Fehler können immer passieren. Schließlich arbeiten hier Menschen. Der Transponder am Handgelenk gibt einem ein gutes Gefühl.“ Jeden Morgen gehen die Mitarbeiter am Büro von Niederlassungsleiterin Nina Vedder vorbei und holen sich die Transponderuhren aus dem Schrank. Zunächst wird ein Batteriecheck durchgeführt. Grünes Licht bedeutet, dass die Batterie auf jeden Fall für den ganzen Arbeitstag geladen ist. Leuchtet es rot, wird die Batterie sofort ausgetauscht. Der Check muss auf einer Liste von jedem quittiert werden. Die Mitarbeiter haben diesen Prozess schon völlig verinnerlicht. „Stempeln, Transponderuhr, Tagesbesprechung – das ist morgens der Ablauf“, sagt Porten. Ihm ist bewusst, wie gefährlich die Arbeit an der Presse sein kann: „Gerade bei heißem Wetter kann es auch mal zu Kreislaufproblemen kommen. Mit dem Transponder fühle ich mich wirklich sicher.“

Regelmäßige Unterweisungen und wöchentlicher Test

Ein Stoffpandabär mit Transponderuhr um den Hals als Testdummy.
Das System wird jede Woche getestet. Testdummy mit Transponderuhr um den Hals.

Dass jeder Mitarbeiter morgens vor der Arbeit ganz automatisch zum Transponderarmband greift, dafür sorgen auch die Unterweisungen. H & S Manager Sirries: „Wir haben digitale Schulungen, aber auch persönliche Unterweisungen, die regelmäßig durchgeführt werden.“ Einmal pro Woche wird das System getestet. Dann wird mit einer zufällig ausgewählten Transponderuhr ein Notstopp ausgelöst – mit einem Pandabären. Der Betriebsleiter lässt das schwarz-weiße Plüschtier mit Transponderuhr um den Hals an einer Kette das Förderband hochfahren. Bisher wurde der Bär jedes Mal durch den Transponder gerettet.

Fokus: Sturzunfälle

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