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Behavior Based Safety in der Praxis

ca. 3 Minuten Lesezeit

Serie: Arbeitsschutz beginnt im Kopf* – gute Kommunikation lernen

Das Wichtigste im Überblick

1. Bei BBS geht es darum, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bestärken und Arbeit sicherer zu machen.

2. Beobachtungskarten helfen dabei, Daten zu erfassen und an konkreten Verbesserungen zu arbeiten.

3. Im internationalen Umfeld ist der BBS-Ansatz viel verbreiterter als in Deutschland.

*Die Serie Arbeitsschutz beginnt im Kopf bietet einen Überblick zu Themen wie Kommunikation, Verhalten und Gewohnheiten und viele praktische Tipps für alle, die etwas bewegen wollen.

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„Bei Behavior Based Safety geht es um systematische Anerkennung.“ Und damit um kollegiale Wertschätzung. Prof. Christoph Bördlein, Spezialist für verhaltensorientierte Arbeitssicherheit – in Fachkreisen auch Behavior Based Safety (BBS) genannt –, erläutert im zweiten Teil des Experteninterviews mit „HUNDERT PROZENT“, warum sich diese Aspekte positiv auf Arbeitsschutz und Sicherheit auswirken und wie sich die Methode in der Praxis anwenden lässt.

Ein Porträt von Professor Christoph Bördlein, dem Experten in Deutschland beim Thema Behavior Based Safety
Professor Christoph Bördlein gehört in Deutschland zu den Experten für den Behavior Based Safety Ansatz.

Im ersten Teil des Interviews haben Sie erläutert, dass Feedback geben der Motor für eine positive Verhaltensänderung sei. Bleiben wir bei dem Bild. Was ist der Treibstoff?

Christoph Bördlein: Wichtig sind Feedback und Vertrauen. Nur durch Feedback lernt man und kann sein Verhalten ändern. Das ist wie beim Klavierspielen – man hört sein Spiel und erkennt sofort, das klingt gut oder eben nicht so gut. Im Idealfall hat man dann noch eine Klavierlehrerin, die einem Tipps gibt, um sein Spiel zu verbessern. Dieses Prinzip gilt bei allen Verhaltensweisen, ist bei Behavior Based Safety zentral und lässt sich im Arbeitsschutz in vielen Bereichen anwenden. 

Welche Rolle spielt Vertrauen bei der Behavior Based Safety? 

Christoph Bördlein: Eine sehr große. Denn bei BBS geht es um unterstützendes Verhalten. Gemeint ist damit, dass ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darin bestärke, das eigene Verhalten zu hinterfragen, um die Arbeit sicherer zu machen. Das ist nicht mit hohen Investitionen verbunden und bietet sich auch für kleine Betriebe an. Als Chef muss ich mich nur darauf einlassen. 

Was heißt das genau?

Christoph Bördlein: Dass ich zum Beispiel meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Freiräume zugestehe, sicheres Verhalten zu diskutieren und festzulegen. Bleiben wir beim Beispiel Treppensteigen.

Als Gruppe legen wir folgende Punkte fest:  
  
•    Wir nutzen den Handlauf. 
•    Wir bewegen uns im Schritttempo.  
•    Wir tragen nicht zu schwere Lasten, nicht mehr als 20 Kilogramm.  
•    Ist die Last schwerer, nutzen wir den Fahrstuhl.  
  
Ein weiteres Beispiel ist das Staplerfahren. Hier könnte man folgende Punkte in der Gruppe verabreden:

•    Beim Fahren nutzen wir keine Handys.
•    Wenn Fußgänger in der Nähe sind, fahren wir im Schritttempo.
•    Beim Rückwärtsfahren schauen wir immer nach hinten und vergewissern uns, dass der Weg frei ist.

Das klingt vielleicht banal, ist aber wichtig und lässt sich auch für viele andere Tätigkeiten im Betrieb definieren. Wir besprechen das, nehmen vielleicht noch weitere Punkte auf und beschließen diese Regeln gemeinsam. 

Welche Vorteile bietet dieses Vorgehen?

Christoph Bördlein: Auf diese Weise nutzen wir das Know-how der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und erhöhen die Akzeptanz für die Verhaltensdefinitionen. Die Kollegen sind schließlich die Experten für die jeweiligen Aufgaben in den Betrieben. Als Chef muss ich meinen Angestellten nur einen Vertrauensvorschuss geben, werde dann aber feststellen, dass meine Abteilung oder mein Betrieb davon profitiert. Denn die Arbeit wird sicherer und damit besser. Das spiegelt sich in ganz vielen Fällen auch in der Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wider.

Wie sieht dann der nächste Schritt bei der Einführung von BBS in meinem Betrieb aus?

Christoph Bördlein: Wenn man sich auf ein Verhalten – etwa in Arbeitsgruppen – geeinigt hat, geht es darum, sich Ziele zu setzen. Denn Verhaltensänderungen schreiten manchmal nur sehr langsam voran. Deswegen sollte man möglichst konkret werden. Hat man beispielsweise festgestellt, dass beim Treppensteigen nur in 50 Prozent der Fälle der Handlauf benutzt wurde, sollte man hier eine neue Zielmarke festlegen. Man könnte definieren, dass vier Wochen nach Verabschiedung der Maßnahme der Handlauf in 75 Prozent der Fälle benutzt wird, und darauf hinarbeiten. Sich Ziele zu setzen ist ein zusätzlicher Motor der Veränderung. Das heißt, wir wollen nicht einfach immer nur besser werden, sondern wir wollen ein ganz konkretes Ziel erreichen.

Aber wie lassen sich solche Daten erfassen?

Christoph Bördlein: Zum Beispiel mit sogenannten Beobachtungskarten, die gemeinsam von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelt, regelmäßig ausgefüllt und ausgewertet werden. So lassen sich Informationen zu allen verabredeten BBS-Maßnahmen erfassen. Und natürlich durch gegenseitiges Feedback. Passiert das in einem kollegialen und wertschätzenden Ton, lässt sich für den Arbeitsschutz mit einfachen Mitteln viel erreichen. Der Fokus liegt auf der Bestärkung des sicheren Verhaltens und ist damit ein proaktiver Ansatz. Bei BBS geht es um systematische Anerkennung. 

Woran liegt es eigentlich, dass BBS in Deutschland nicht schon viel bekannter und verbreiteter ist?

Christoph Bördlein: Darüber kann ich nur spekulieren. Möglicherweise liegt es daran, dass BBS auf einer speziellen Form der Psychologie basiert, die in Deutschland eher im Hintergrund steht – da geht es um angewandte Verhaltensanalyse. In den USA ist das zum Beispiel viel verbreiteter, genauso wie die BBS-Methoden, die sich im internationalen Kontext durchaus bewährt haben. Da gibt es bei uns noch Nachholbedarf. Aber es gibt schon einige Projekte bei uns, die Mut machen und eindeutig belegen, dass die Arbeit dadurch sicherer wird.  

Im ersten Teil des Experteninterviews erfahren Sie mehr über grundsätzliche BBS Aspekte. 

Unser Experte

Prof. Christoph Bördlein studierte Psychologie in Bamberg. Seit 2015 ist er Professor an der Hochschule 
für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS). Mit dem Thema „Verhaltensorientierte 
Arbeitssicherheit“ beschäftigt sich Bördlein seit knapp 20 Jahren – sowohl wissenschaftlich als auch 
praktisch, indem er Unternehmen berät. 2015 erschien sein Buch zum Thema „Verhaltensorientierte Arbeitssicherheit – Behavior Based Safety (BBS)“. Seit 2018 leitet er den Zertifikatslehrgang „Spezialist/
Spezialistin für Behavior Based Safety“ an der FHWS. 

Ein Porträt von Professor Christoph Bördlein, dem Experten in Deutschland beim Thema Behavior Based Safety

Unsere Serie „Arbeitsschutz beginnt im Kopf“

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